Taktlos...
Bereits beim ersten Hördurchgang fiel mir auf, daß die Dynamik teilweise etwas wässrig ist, also stellenweise keine erkennbar scharfen Unterschiede zwischen piano und forte - das machen aber die durchweg tänzerischen Tempi wieder wett, so daß keine Langeweile aufkommt. Die Holzbläser gehen teilweise etwas unter; dies geschieht zu Gunsten dominierender Blechbläser, was ansich nicht zu kritisieren ist. Aber die Balance hängt etwas...
Alles nicht so schlimm. Da ich aber meinen bereits leicht gealterten Ohren ob des ansonsten Gehörten keinen Glauben schenken wollte, hörte ich die Aufnahme der Es-Dur-Sinfonie erneut (mit Kopfhörern diesmal, um wirklich Gewissheit zu erlangen). Bei der ersten Wiederholung der Expo des ersten Satzes stimmt leider das Tempo nicht mehr; das erste Hauptthema ist plötzlich viel schneller: die Violine I spielt auftaktig auf Schlag 2 und 3 noch korrekt, dann Schnitt; man hört das gut, wenn man das Ende des Schlußteils und dann die Wiederholung, die ab 4:07 einsetzt, hört: ab 4:09 sind bereits die Hörner zu schnell... Hier wurde also unorthodox (zusammen)geschnitten. Gegen das Schneiden als solches habe ich überhaupt nichts; sie sind ja dazu da, die Sache zu perfektionieren. Aber dann sollte man es auch tun. Beim Menuett vermisse ich im ersten Durchlauf in Takt 11 den Vorschlag auf b bei den ersten Violinen (ansonsten wird er in allen Wiederholungen gespielt) und im Finalsatz ist wohl auch ein Schnittfehler passiert: die Ganztaktpause auf 107 ist im zweiten Durchlauf zu kurz, d.h. die Violinen setzen in 108 viel zu früh ein. Da haut's einem doch den Taktstock (StabiloPoint, TouchScreenPen, Zigarette...), den jeder fanatische Musikhörer stehts dabei hat, aus der Hand...
Schade auch, daß Platz ungenutz zurückblieb... da locker noch #504 mit draufgepasst hätte. Mir persönlich hätte das gut gefallen: während man nämlich von #550 und #551 an guten bis sehr guten HIP-Einspielungen fast zu ersticken Gefahr läuft, wird im krassen Gegensatz dazu die Luft bei #504 und #543 arg dünn... Ich teile auch nicht Harnoncourts Meinung, daß die letzten drei Sinfonien unbedingt (bewusst) von Mozart inhaltlich verflochten sind (derlei Verflechtungen erlebt man bei zeitlich nahe liegenden Werken Mozarts recht häufig), wohl aber, daß Mozart sie evtl. als Trias herauszugeben gedachte; vielmehr möchte ich von den "letzten VIER großen Sinfonien" gesprochen wissen (davon wusste zumindest René Jacobs etwas).
Ulli Blees
EROICA Klassikforum