Ein schönes Zeitdokument
Der Trompeter und Flügelhornist Manfred Schoof, Jahrgang 1936, ist einer der bedeutendsten deutschen Improvisationskünstler, der als „der große Romantiker unter den deutschen Jazz-Avantgardisten“ (Hans Kumpf) bezeichnet wurde. Im Mai 1978 schnitt Radio Bremen ein Konzert seines Quintetts mit, welches nun in sehr guter Klangqualität veröffentlicht wird. Mit Michel Pilz an der Bassklarinette, sowie Rainer Brüninghaus (p, ep, synthi), Günter Lenz (b) und Ralf Hübner (dr) präsentierte Schoof eine hervorragend aufeinander eingespielte Spitzen-Combo im Musikclub „Römer“. 1977 hatte Schoof für sein Album SCALES den Deutschen Schallplattenpreis erhalten – die einzige personelle Veränderung ist, dass im Studio noch Jasper van’t Hof die Tasten drückte. Vier der fünf Stücke dieser LP finden sich auch hier in der Setlist wieder (das einzige Stück, welches van’t Hof komponiert hatte, wird live ausgespart, dafür erklingen fünf weitere Kompositionen von Schoof). Natürlich wird live auch mal ein Stück von sechs Minuten in der Studioaufnahme auf 20 Minuten ausgedehnt. Die ersten acht Stücke sind zwischen 10 und 20 Minuten lang, jeder Virtuose hat ausreichend Zeit seine Geschichten zu erzählen. Es geht hier nicht um sinnfreie Technikdemonstration, die Virtuosität wird meist in den Dienst der Komposition und Stimmung gestellt. Im finalen „Ludus Totalis“ brennt das Quartett dann aber noch für 4:30 min. eine freie Orgie ab, die sich gewaschen hat. Damit wurde vor über 44 Jahren das begeisterte Publikum in die Nacht entlassen. Das ist somit nichts für Novizen, sondern für den Jazz-Connoisseur. Dass das wunderbare Album SCALES (als LP 60013 1976 bei JAPO Records erschienen) immer noch nicht wiederveröffentlicht wurde, ist eine große Schande…