Bach-Kantaten in Solo-Besetzung
Dass Bach seine Chöre nur solistisch besetzt hat, ist seit längerem ein spannender, wenn auch kontrovers diskutierter Ansatz einer historischen Aufführungspraxis. Kuijken und La Petite Bande greifen diesen Ansatz auf und spielen einen (kompletten) Jahrgang ein - keinen historischen, sondern eine (willkürlich für diesen Sonntag bestimmte gewählte) Kantate pro Sonntag/Feiertag. Das Ergebnis ist - für mich - überwältigend: Dass die Chöre durch die solistische Besetzung so an Drive und Klang gewinnen, wird erst klar, wenn man sie so hört (und dann mit den bisherigen Besetzungen vergleicht). Mir wird es schwer fallen, wieder eine Kantate in Chorstärke zu hören, und sei es auch in noch so kleiner Besetzung. Erst in dieser Besetzung werden Koloraturen, Linien und schnelle Passagen transparent und musikalisch leicht - das schafft kein Chor. Die Aufnahme zeigt mir einmal mehr, wie Recht Rifkin mit seiner Theorie hat/haben muss.
Bedauerlich ist durch die Auswahl eines "liturgischen Jahres" aber, dass damit wichtige Kantaten, die diesen Ansatz untermauern, nicht eingespielt worden sind: BWV 106, 147, 150, 21 fehlen mir, obwohl gerade diese Kantaten in der Argumentation Rifkins herangezogen wurden und mit Sicherheit neue Klangerlebnisse ermöglichen würden. Eine Kantate für jeweils einen liturgischen Sonntag heißt eben auch, wichtige Kantaten auszulassen (weil Bach mehrere für diesen Sonntag bestimmte Kompositionen hinterlassen hat).
Das (umfangreiche) Booklet ist überflüssig: Die Kantatentexte brauche ich nicht: 1.) kenne ich die Texte ganz gut, 2.) verstehe ich die Texte durch die solistische Besetzung hervorragend, 3.) kann man gerade die Kantatentexte einfach und schnell im Internat nachlesen. Der einführende Text ist dagegen inhaltlich "mau" und fokussiert sich auf Verfüße und Rhythmen - und das noch nicht einmal korrekt. Über Rifkins Ansätze, seine Argumente und die seiner Gegner erfährt man dagegen nichts.
Trotzdem - die Kantatensammlung ist eine Bereicherung und liefert ein unglaubliches Hörvergnügen.