Der zweite Streich - Fortsetzung der Entdeckungen
Eine CD voller Ersteinspielungen, und die zweite Folge der Carus-Reihe mit erstaunlichen, ja teilweise atemberaubenden Entdeckungen auf der Basis der neuen Noten-Gesamtausgabe von Peter Wollny (Bach-Archiv Leipzig/Carus).
Mit dem vokalen Doppelquartett seiner Rastatter Hofkapelle gelingen Jürgen Ochs klar durchhörbare, fein ausgehörte und - im Gegensatz zur beeindruckend energischen 1. Folge der Kantaten mit Ralf Otto - eher ruhig-entspannte Aufnahmen. Mit "Kantaten II" ist somit eine schöne Ergänzung gelungen, in der man Friedemann einmal nicht nur stürmisch und drängend hören kann.
Die quasi kleinstmögliche Besetzung zeigt den anderen Pol dessen, was historisch möglich und gebräuchlich war - neben vokaler Kammerchorstärke und kleinchorischer Streicherbesetzung wie bei Ralf Otto.
Am stärksten gelingen die Ensemblestücke (Eingangschöre, Heilig, Agnus), aber auch die Arien werden charakteristisch genommen (z. B. Süße Liebe, hohes Gut!). Besonders in den Arien zeigt sich auch, wie wenig Rücksicht Sebastians Ältester bei der Umsetzung seiner kompositorischen Ideen auf gute Singbarkeit genommen hat - da nähern sich die Solisten an einigen wenigen Stellen schon mal den natürlichen Grenzen des Machbaren (wie übrigens auch in Kantaten I - auch der umwerfend gute Klaus Mertens ist nur ein Mensch).
Geheimtipp: Das Agnus Dei - ein kontrapunktisch dichtes, düster beginnendes Meisterstück!
Fazit:
- Beide CDs hören und die ganze Bandbreite von Friedemanns Vokalmusik erleben.
- Freude und Hoffnung auf weitere Folgen mit "neuer" Musik des vielleicht begabtesten Bachsohns!