Deutsches aus Großbritannien - immer ein Wagnis...
Am meisten erstaunt hat mich beim Abhören der beiden CDs die Nachlässigkeit, mit der ausgerechnet ein Otto Klemperer solche Schlampereien bei den Dialogtexten hat durchgehen lassen. Emanuel Schikaneder, dessen Originaltexte stellenweise schon albern genug sind, hätte sich im Grab umgedreht. Da ist vom Londoner Fremdenverkehr die Rede, und das ist noch nicht alles, was man an Unsinn zu hören bekommt - so etwas nennt man dann wohl "Aktualisierung". Wenn man schon etwas verändern wollte, dann hätte man besser die veraltete deutsche Sprache auf den aktuellen Stand gebracht ("ich selbsten", "setzte mich den Hunden für", "vielleicht sah er Paminen schon", "zernichten der Heuchler" usw. usw.). Der musikalische Standard wird durch Klemperer, das Orchester und die Chöre einigermaßen gehalten, hält aber den Vergleich mit den Wiener Aufnahmen aus dieser Zeit nicht aus. Herausragend finde ich Geraint Evans als Papageno, der mit dieser Leistung auch an jedem deutschsprachigen Opernhaus hätte auftreten können. Der Sarastro von David Kelly und der Tamino von Richard Lewis sind ok - mehr aber auch nicht. Sehr stimmschön und um Gestaltung bemüht ist Joan Carlyle als Pamina, aber mir fehlt bei ihr die Innigkeit. Joan Sutherland, die bis zu ihrem LUCIA-Erfolg 1959 Ensemblemitglied der Covent Garden Opera gewesen war, ist in den Folgejahren mit ihren Belcanto-Erfolgen bereits in Wien, Mailand und New York unterwegs gewesen. Warum sie im Januar 1962 ausgerechnet als Königin der Nacht wieder in London anzutreffen war, entzieht sich meiner Kenntnis - und auch meinem Verständnis. Zwar hat ihre Interpretation mehr Biss als die der Wiener Garde (Streich, Köth, Lipp), aber die trafen wenigstens die Töne korrekt und artikulierten sauber. Bei Sutherland kocht nicht nur "der Hölle Rasche" im Herzen, aus "Hört der Mutter Schwur" wird bei ihr "Hört ein Mutter Schwur". Eine Gruberovà, eine Moser, eine Deutekom erreicht sie in keinem Moment - und die sangen in originaler Tonhöhe! Für mich insgesamt ein zwiespältiger Eindruck, als Kuriosität sicher empfehlenswert, künstlerisch aber durchaus grenzwertig.