Sauber, ruhig, technisch exzellent
Elizabeth Wallfischs Einspielung sämtlicher Violinkonzerte von Johann Sebastian Bach (St. Michaels-Kirche Highgate/London und Abbey Road-Studios, 1988) ist, wie Dr. Matthias Hengelbrock zu Recht notiert, sehr kultiviert und erreicht eine seltene technische Perfektion. Der Ton der Solovioline, ein historisches Instrument mit Darmsaiten, ist weich und delikat, etwas leiser, als man es womöglich von Kunstsaiten her gewohnt ist. Auch das Orchester bzw. die anderen Solisten (Alison Bury, Catherine Mackintosh, Pavlo Beznosiuk, Violinen; Lisa Beznosiuk, Traversflöte; Paul Nicholson, Cembalo; ein ungenannter Oboist, vielleicht Paul Goodwin?) tragen erheblich zum sauberen, ruhigen, technisch exzellenten Klang bei. Wenn ich die Aufnahme mit nur vier Sternen werte, dann hauptsächlich deshalb, weil ich einzelne Konzerte etwas spannender gehört habe, so zum Beispiel das Triokonzert BWV 1044, das Siegbert Rampe, ebenfalls auf Virgin Classics, m. E. noch einen Tick faszinierender macht. Auch bei den herkömmlichen, d. h. nicht rekonstruierten Violinkonzerten BWV 1041-3 kann ich nicht behaupten, dass Elizabeth Wallfisch und das OAE "besser" wären als die historisch informierte Konkurrenz - ich höre weiterhin Jaap Schröder mit der Academy of Ancient Music unter Hogwood sehr gern, ebenso Simon Standage mit dem English Concert auf DG Archiv - die Spielkultur ist hier ebenso hoch, nur bei Elizabeth Wallfisch verspüre ich eine gewisse weibliche Weichheit, die auf den anderen Aufnahmen durch eine Prise zusätzlicher männlicher Kühnheit ersetzt wird. Am Ende wird jeder Hörer sich selbst entscheiden müssen, welche Version ihm am besten gefällt. Bei dem Orchestra of the Age of Enlightenment bekommt man zu den gängigen Violinkonzerten insgesamt vier rekonstruierte Werke (nach erhalten gebliebenen Cembalokonzerten) als Zugabe, wer sie in dieser Form hören möchte, sollte sich für diese Doppel-CD entscheiden.