Was für eine Entdeckung!
Letztens gab es in Frankfurt ein polnisches Programm und da hörte ich den Türöffner dieser Komponistin, die wilde und kongeniale Ouverture.
So großartig die Ouverture auch ist, ist sie nichts weiter als eine Visitenkarte. Bacewicz wird gerne mit Hindemith und Bartok verglichen, als Bindglied zwischen Szymanowski und Lutoslawski dargestellt. Alles richtig, aber dennoch vollkommen falsch. Das ist auch, wie so oft kolportiert, kein Neoklassizismus, sondern eine eigene Tonsprache, die man noch so oft mit Shostakovich und Bartok vergleichen mag, es schlägt immer fehl!
Grazyna Bacewicz war eine mutige Komponistin des 20. Jahrhunderts, die in den Wirren um den 2. Weltkrieg herum eine sehr große Individualität entwickelt hat. Die hier vorliegenden späteren Sinfonien (1952 und 1953) weisen einen Personalstil auf, der in keine Schublade passt: Sehr rhythmische Passagen, die mich an Karl Amadeus Hartmann erinnern, wechseln mit außerordenlich lyrisch-dramatischen langsamen Abschnitten (beide Adagios!) ab, die die ganze Tragik der neusozialistischen Zeit in Polen in sich tragen. Ihre Instrumentierungkunst gemahnt an Sir Arnold Bax oder Richard Strauss, aber auch den späten Mahler höre ich heraus.
Egal auch, ob es sich hier um den polnischen Hartmann geht oder eine Wegbereiterin Lutoslawskis handelt, es lohnt sich, sich gerade mir diesen zuweilen wilden, aber auch düster-elegischen Sinfonien zu beschäftigen. Es gibt tatsächlich originelles Neuland zu entdecken!
Das BBC Orchestra unter Sakari Oramo leistet hervorragende Dienste. Ich finde diese Aufnahme präsenter und direkter als die (ebenfalls hervorragende) cpo-Aufnahmen mit dem WDR-Orchster und Lukasz Borowicz.
Es bleibt die Frage, warum man diese Musik bis jetzt noch nicht hören durfte? Es gibt auch umwerfende Kammermusik (z.B. das 1. Klavierquintett). Sollte es daran liegen, dass Grazyna eine Frau war, wird es dringend Zeit, dieses Rollengehampel, das gerade durch die Eskapaden eines FXRoth eine besondere Brisanz erfährt, endlich aufzugeben und Frauen als ebenbürtige Komponisten und Künstlerdes 20. Jahrhunderts zu etablieren! Diese CD ist ein eindeutiges und überzeugendes Zeugnis davon!
Ich hoffe auf weitere Volumes...