Der Pharoah kann auch anders
Nun hat es ‚Pharoah‘ von Pharoah Sanders also doch noch nach langer Vorankündigungszeit als Wiederveröffentlichung in erweiterter Form auf LP & CD geschafft! Zur Zeit der Erstveröffentlichung (LP: USA 1977, Japan: Denon 1978; CD Re-issue India Navigation USA 1996 ) durchaus unterschiedlich in qualitativer Hinsicht beurteilt (zu wenig jazzlastig, zu unstrukturiert, zu eingängig), hatte sich der Eindruck festgesetzt, es handele sich um zweitklassiges Material, das nur zur Erfüllung der abschließenden vertraglichen Verpflichtung für Sanders‘ Plattenfirma India Navigation entstand.
Allerdings entwickelte sich der Titel ‚Harvest Time‘ (ganze LP A-Seite, 20:50) mit seiner eingängigen und sich weiter entwickelnden Melodik zum Geheimtipp und ließ den Sammlerpreis in extreme Höhen steigen. Die beiden Titel der B-Seite (‚Love Will Find A Way‘, 14:27 und ‚Memories of Edith Johnson‘, 5:44) fallen dagegen etwas ab.
2008 und 2012 wurden angeblich von India Navigation gefertigte LP-Wiederveröffentlichungen zu relativ mäßigen Preisen angeboten, die sich jedoch als inoffizielle Bootlegs erwiesen und klanglich ein Ärgernis waren (kaum Dynamik, d.h. dumpfer Klang mit abgeschnittenen Höhen, durchgehendes Knistern).
Nun also eine von India Navigation authorisierte und remasterte Wiederveröffentlichung (2023) auf Luaka Bop mit Live-Bonusmaterial und umfangreichem Artwork.
Die definitive Ausgabe? Nach Durchhören sowohl der CD-Box als auch der LP-Kassette bin ich leider zu keiner eindeutigen Meinung gelangt. Dies lag vor allem daran, dass ich zum Vergleich auch die seltene CD-Ausgabe von ‚Pharoah‘ aus dem Jahr 1996 (India Navigation) herangezogen habe.
Fazit in Kürze: Beide remasterte (!) Aufnahmen (LP/CD) klingen dünn, höhenbetont und …langweilig (sorry!) im direkten Vergleich mit der klanglich sehr dynamisch und ausgewogenen originalen LP aber auch vor allem der CD-Aufnahme von 1996. Da beide jedoch äußerst selten und entsprechend heute nahezu unerschwinglich sind, ist m. E. nur die (teure) LP-Fassung von Luaka Bop ein akzeptabler Ersatz, zumal hier das Artwork (optisch und vom Layout nicht gerade umwerfend, aber schöner Text zur Entstehung von ‚Pharoah‘ plus Interview) auch erst richtig zur Geltung kommt – die ‚kleine Schwester‘ im CD-Format ist demgegenüber wegen der geringen Größe fast lächerlich.
Die Bonus-Disc beinhaltet zwei zusätzliche Live-Versionen von ‚Harvest Time‘: Middelheim/NL (18:15) und Willisau/CH (10:34). Beide Aufnahmen sind klangtechnisch in Ordnung und mit anderen Musikern als in der Originalaufnahme eingespielt. Die Middelheim-Version ist deutlich engagierter als das Original und m.E. die beste verfügbare Aufnahme überhaupt, die Willisau-Fassung ist komprimierter und quasi die mehr radiotaugliche Ausgabe.