Authentischer Mahler
Die Interpretation ist bemerkenswert: äußerst farbenprächtig, wie ein Wirbelwind ("Das Trinklied vom Jammer der Erde") einerseits, andererseits hört man die großen Gefühlsschwankungen, die Mahlers Musik auszeichnen und die ein Leonard Bernstein geradezu kongenial herausgearbeitet hat. Kleiber geht in diese Richtung, jedoch mit seiner eigenen Lesart und seiner eigenen Klangsprache.
Die Wiener Symphoniker erweisen sich als ein sehr flexibel agierendes Orchester (exemplarisch die Streicher beim "Trinklied" sowie die Bläser, allen voran die Soloflöte beim "Abschied") mit einer breiten Gefühlsskala, die die Abgründe dieser Musik geradezu beängstigend vor Ohren führt. Die Wiener Symphoniker bestritten übrigens im Umfeld dieser Aufnahme noch weitere Mahler Konzerte im Rahmen der Wiener Festwochen mit anderen Dirigenten.
Die beiden Gesangssoltisten fügen sich nahtlos in das Klanggeschehen ein. Bemerkenswert ist, dass Christa Ludwig das "ewig" am Ende des Abschieds - wie vom Komponisten verlangt - wirklich im piano ausklingen läßt.
Bedauerlicherweise ist das Klangbild der CD trotz Remastering etwas stumpf. Möglicherweise hat das Originalband durch die fast fünf Jahrzehnte lange Archivierung ziemlich gelitten.
Wie dem auch sei: es ist ein Glücksfall, dass sich der Mitschnitt erhalten hat und nun veröffentlicht wurde. Es ist jammerschade, dass dies Kleibers einziger Beitrag zum Thema Mahler ist. Dieser Mitschnitt beweist, dass er zum Thema Mahler viel zu sagen gehabt hätte, wenn er denn nur gewollt hätte. Und das auf seine ganz individuelle Art.