Zu Unrecht übersehen
"Burning Up the Night" ist das sechste und letzte reguläre Album von Flash & the Pan. Anders als die Vorgängerplatten warf es keinen großen Hit mehr ab, und auf Compilations des australischen Studioprojekts findet sich kein einziger Song der Platte - mit Ausnahme der Remixversion des Titelsongs, die es auf "12 Inch Mixes" geschafft hat. Die große Zeit von Flash & the Pan waren die 80er, "Burning Up the Night" erschien 1992/1993, als der Zeitgeist nicht mehr wirklich kompatibel mit dem ungewöhnlichen New-Wave-Sound des Duos war. Keine der beiden Singles war erfolgreich. In Deutschland kam das Album nur knapp unter die Top 100, Platz 92 war aber kurioserweise tatsächlich der höchste Erfolg der Gruppe in den deutschen LP-Charts!
Trotzdem ist auch "Burning Up the Night" ein lohnendes Album, denn Harry Vanda & George Young hatten nicht plötzlich verlernt, eingängige und markante Songs zu schreiben. Klanglich nähert es sich durchaus dem damaligen Mainstream an, davon abgesehen ist es aber eindeutig als Flash & the Pan erkennbar. Dass es mit dem erstaunlich langlebigen Projekt zu Ende ging, lag nach Meinung der Künstler daran, dass das klangliche Konzept langsam abgenutzt war. Und tatsächlich ist eine gewisse Stagnation bemerkbar: Das Album klingt, wenn man nicht genau hinhört, ein wenig nach Pflichterfüllung. Allerdings wächst es beim Hören, und auch die weniger aufregenden Stücke haben alle ihre Momente. Einen großen Spannungsbogen wie einst auf "Atlantis Calling" oder "Yesterday's Gone" sucht man allerdings vergeblich; die Songs bewegen sich alle im drei- bis vierminütigen Bereich.
Musikalisch bewegt sich das Album weitgehend auf dem Pfad der beiden Vorgängeralben. Grob gesagt, es vermischt die Riffs und Rhythmik von "Early Morning Wake Up Call" (1985) mit der etwas introspektiveren, reflektierteren Stimmung von "Nights in France" (1987). Genauso wie auf "Early Morning Wake Up Call" sind die Drums komplett programmiert, wodurch weniger Bandfeeling aufkommt als das noch bei "Nights in France" der Fall war. In den ruhigeren Momenten erinnert das Album auch ein wenig an das Debüt. Und noch etwas hat "Burning Up the Night" mit dem Frühwerk gemein: Die Gitarre nimmt insgesamt weniger Raum ein als auf "Headlines", "Early Morning Wake Up Call" und "Nights in France". Dafür sind die Synthesizerklänge weitgehend gewohnt, und DAS Erkennungsmerkmal von Flash & the Pan ist weiterhin der manirierte Sprechgesang von George Young, der allerdings auch schon seit einiger Zeit nicht mehr so sehr durch Effekte verfremdet wurde wie auf den ersten beiden F&TP-Platten. Neu ist allerdings ein deutlich größerer Anteil an "richtig" gesungenen Vocals, die dann wohl von Harry Vanda stammen und einen Song sogar dominieren - Sakrileg!
Auch dass Vanda und Young zum ersten Mal auf dem Albumcover abgebildet sind, war neu (auf Singlehüllen konnte man die beiden zuvor schon einige Male sehen). Der Titel dagegen ist klar in der F&TP-Tradition verankert... von sechs Alben haben doch tatsächlich drei "Night" im Titel! (Lights in the Night, Nights in France, Burning up the Night)
"Living on Dreams" eröffnet ohne großes Intro mit dem markanten Riff. Der Song weckt mit dem programmierten Beat und den dezenten Gitarren sofort Erinnerungen an "Early Morning Wake Up Call". Die Melodie ist eingängig, trotzdem klingt es ein wenig nach Flash & the Pan auf Autopilot.
"Vacuum of Emotion" ist da für meine Begriffe schon stärker geraten. Atmosphärisch mit an- und abschwellenden Synthies, dezenten Becken und plötzlich hereinbrechenden Synthie-Bläsern: Das sind Flash & the Pan, wie ich sie liebe. Der Sound ist durch das Programming als Produkt der frühen 90er erkennbar (vergleiche die Songs von OMD aus dieser Zeit), aber es dominiert nicht den Song.
Das melancholische "Ivy Love" hat entfernt etwas von "Walking in the Rain" (derselbe Grundgroove), kommt aber melodiöser und edler daher. Auch wenn das Saxofonsolo nicht echt ist: Schöner Song. Gelungen, wie nach der geflüsterten Zeile "You're singing in the wrong key" die Tonart gewechselt wird!
Mit "Searching for a Headline" gibt es die erste richtig rockige Nummer, vergleichbar vielleicht mit "Captain Beware" (inklusive akustischem Geschrammel in der Bridge). Dass der Song trotz Drum-Programming so nach vorne geht (besonders im Refrain!), ist absolut erstaunlich. Textlich arbeiten sich Vanda & Young mal wieder an der Medienlandschaft ab, die Lyrics schlagen in eine ähnliche Kerbe wie einst "Media Man" (inklusive Gebrauchs von Schimpfworten - gleich drei verglichen mit nur einem 1980). Wie in den Anfangstagen beschränkt sich George Young hier auf Sprechgesang, während der gesungene Refrain von Harry Vanda kommt. Nach der Bridge lässt Vanda ein flottes Gitarrensolo vom Stapel, bevor eine Mitsing-Passage die Stimmung weiter erhöht.
"Bad Love" schlägt danach dezent funkige Töne an. Synthies und Gitarren grooven, und George Youngs erfreulich manipulationsfreier Gesang klingt wunderbar lapidar. Im Mittelteil gibt es ein schönes Zwischenspiel zwischen Klavier und Synthesizer. Auch hier gelingt es Flash & the Pan mal wieder, einen Song zu schreiben, der klingt wie schon oft gehört, aber trotzdem nicht belanglos ist.
Das coole "Do It" geht in eine ähnliche Richtung (wieder mit starkem Bass und synthetischen Bläsern), ist allerdings melodiöser. Als Vergleich fallen mir hier Tears for Fears Ende der 80er, Living in a Box und vor allem Love & Money ein. Wer diese Art von souligem Edelpop mag, wird diesen Song lieben. Interessant die Wechsel zur Dur-Parallele und das raffinierte Ende des Refrains.
"On the Level with You" beginnt - juhuu! - mit einem übermäßigen Akkord. Für sich gesehen ist jeder Song im Mittelteil des Albums sehr stark, allerdings macht sich durch die Abfolge ein wenig Eintönigkeit breit. Bei "On the Level with You" fehlt mir auch ein wirklich herausragender Moment, der Refrain unterscheidet sich nicht stark genug von der Strophe.
Und besser wird es danach nicht: "On My Way" ist eine rührselige, pathetisch gesungene Ballade und für mich das schwächste Stück. Klar, als Abschiedslied ganz brauchbar, aber mit früheren Balladen wie "Headhunter" oder "Hey Jimmy" kann der Song nicht mithalten.
Heftig dann der Kontrast: Der Titelsong "Burning Up the Night" ist die mit Abstand härteste Dance-Nummer, die Flash & the Pan je veröffentlicht haben - geht schon fast in Richtung Techno. Dass der Song musikalisch sehr reduziert ist und mit vielen Wiederholungen auskommt, nervt beim ersten Hören, aber ich finde den Refrain unwiderstehlich - und im angespannten Mittelteil geht man dann doch wieder interessante Wege. Ungewöhnlich, aber durchaus ein Grower.
Auch mit "Only the Bad Survive" betritt man Neuland, ist der Song doch eine gelungene Synthese aus Blues und Elektropop, basierend auf einem Midtempo-Shuffle mit cooler Orgel und fantastischer Gitarrenarbeit von Harry Vanda. Flash & the Pan wären aber nicht Flash & the Pan, wenn sie einfach stur dem herkömmlichen 12-Takt-Muster folgen würden, und so verharrt man stattdessen lange auf der Tonika, um dann über einen gelungen variierten Turnaround in den eingängigen Refrain zu leiten. Der Refrain erinnert auch daran, wer einst für die typischen Chöre bei AC/DC verantwortlich war. Mit einem radikal anderen Arrangement würde "Only the Bad Survive" tatsächlich als AC/DC-Song funktionieren! Während des grandiosen Gitarrensolos fällt die steife Rhythmik etwas negativ auf, aber das ist ein kleiner Makel. Flash & the Pan sind eben nicht Eric Clapton und was bei dessen "Sick and Tired" ein paar Jahre später absolut lächerlich klingt, funktioniert hier erstaunlich gut.
Mit "Secret Eyes" gibt es eine weitere atmosphärische Ballade mit eingängigem Refrain. Vielleicht nicht der beste F&TP-Song, aber das interessante Backing hat schon was für sich, und die Melodie bleibt hängen. Der Song baut sich gemächlich auf und wird gegen Ende intensiver.
"3 into 2" ist dann schließlich wieder ein druckvoller Riffrocker mit toller Gitarre (mit Slide!) und sparsamem Piano, der so auch auf "Early Morning Wake Up Call" hätte erscheinen können. Die genialen Breaks ("Way out - strung out...") lassen sich schon beim ersten oder zweiten Hördurchgang problemlos mitbrüllen. Auch der bei Flash & the Pan eigentlich immer irgendwo hinter der nächsten Ecke zu findende übermäßige Akkord feiert noch mal eine Rückkehr. Nur das programmierte Schlagzeug klingt leider blutleer.
Ein Hauch Melancholie umweht dieses Album. Mit "Burning Up the Night" ging die langjährige und legendäre Kollaboration zwischen Vanda und Young langsam dem Ende entgegen. Man hört, dass die beiden nicht mehr hungrig waren. Gute Songs schreiben konnten sie aber immer noch; "Burning Up the Night" ist beileibe kein schlechtes Album. Mit zwölf Songs ist es etwas zu lang geraten, besonders weil sich in der Mitte zu viel Midtempo versammelt und die rockigeren Nummern etwas unterrepräsentiert sind, aber auch weil einige der Riffs und Hooks zu sehr auf der Pentatonik basieren. Das Drum-Programming sorgt ebenfalls für eine gewisse Gleichförmigkeit, und auch das Piano klingt teils eher nach Midi als nach echtem Klavier. Davon abgesehen ist die Produktion jedoch erstklassig und beinahe auf Donald-Fagen-Niveau: Durchsichtig und dynamisch kommt es aus den Boxen, und viele Details und Effekte (wie z.B. die Flüsterstimme bei "Vacuum of Emotion" oder die in "Bad Love" eingschobenen tuba-artigen Basstöne) bemerkt man erst nach mehrmaligem Hören bzw. über Kopfhörer.
In seiner Biografie "Vanda and Young: Inside Australia's Hit Factory" kritisiert John Tait das Album, womit Vanda d'accord ging. Dessen Behauptung, die Songs hätten besser sein können, wenn sie nicht durch das "Flash-and-the-Pan-Format" eingeengt worden wären, halte ich aber für weniger nachvollziehbar. Erstens hatte Vanda ja auch gemeint, dass Flash and the Pan große Freiheiten bot. Und zweitens ist ausgerechnet der Song, der am weitesten vom F&TP-Idiom entfernt ist - "On My Way" - für mich auch der klar schwächste. Aber wenn selbst auf dem schwächsten Album von Flash & the Pan nur EIN Song enthalten ist, auf den ich wirklich gerne verzichten kann, spricht das für das unglaubliche Niveau, das Vanda/Young über die gesamte Lebensdauer des Projektes aufrechterhalten haben.
George Young kehrte danach noch mal in den Produzentensessel für das AC/DC-Album "Stiff Upper Lip" zurück und starb schließlich 2017 mit 70. Harry Vanda genießt wohl den Ruhestand als mittlerweile 75-jähriger.