Gediegene Musizierkunst versteht heute halt nicht jeder...
...in den schlimmen Zeiten der sogenannten "historischen Aufführungspraxis", in der das Werk von Komponisten nach Strich und Faden umgekrempelt und vergewaltigt wird. Wer das erwartet, wird hier sicherlich nicht fündig. Hier hingegen wird Mozart mit Eleganz, Verve, enorm mitreißender Rhythmik und gediegener Akkuratesse dargeboten. Neville Marriner ist in seinem Ansatz zwar Anfang der 1970er-Jahre stehengeblieben, doch überzeugt die Mozart-Exegese des nun bald 91-Jährigen bis heute vollkommen. Man muss fragen, was eine Einspielung zu etwas besonderem macht. Sind es musikhistorische Fachfragen wie vibrato oder non-vibrato oder ist es nicht vielmehr das empathische, beseelte Musizieren? Und gerade Letzteres zeigt nach wie vor kaum ein Orchester besser als die immer wieder fabelhaft aufgelegte Academy of St. Martin-in-the-Fields unter der Leitung ihres in Würde ergrauten Gründers. Jener muss nun wahrlich niemandem mehr etwas beweisen und lacht sich wahrscheinlich jedesmal ins Fäustchen, wenn ihm jemand nachzuweisen versucht, sein Stil sei nicht "historisch informiert" oder gar "historisch korrekt". Wie gut ist es doch, dass wir heute noch Granden wie Marriner haben, die eine eigene interpretatorische Vision haben, die sie frei von Moden und Strömungen seit nunmehr 50 Jahren durchziehen. Rachel Barton Pine ist in meinen Augen kein Virtuosenwunder von der Stange sondern ist gesegnet mit einem eigenen, individuellen Ton, wie ihn heute nur noch verschwindend wenige Geigerinnen haben (z.B. neben Pine auch Tianwa Yang, dann hört es aber auch wirklich auf...). Insofern: Eine wunderbar musikalische, empfundene, wirklich beispielhafte Aufnahme, als dessen größten Kritikpunkt ich lediglich den übertrieben halligen Aufnahmesound empfinde. Aber das ist ein Manko, mit dem man ganz gut leben kann.