Editorische Glanzleistung, die bezahlt werden will
"Slawa" oder „Rostro“ war ein phänomenaler Cellist, ein Titan. Der Rezensent hat ihn bereits Anfang der 1960er Jahre beim Holland Festival mit den Bach-Suiten und 1965 mit seinem legendären Konzertzyklus (bis zu 3 Cellokonzerte an einem Abend!) in London gehört. Unvergesslich!
Natürlich haben seitdem diverse Aufnahmen mit ihm die Musikbibliothek bereichert, zunächst in Vinyl, später als CD. Nun also zu Rostro’s 90-jährigem Geburts- und 10-jährigem Todestag nach der DG-Edition sämtlicher dort produzierten Aufnahmen die - vollmundig beworbene - Warner-Edition. An dieser reizte den Rezensenten, der schon vieles hat, besonders, dass sämtliche Analogaufnahmen neu remastered worden sein sollen.
Erste Eindrücke nach Inaugenscheinnahme der recht voluminösen (30 x 20 x 8 cm) Kassette und vergleichendem Hineinhören in einzelne Aufnahmen:
Nach dem Öffnen des Deckels der Kassette erschien das im selben (Quer-)Format 30 x 20 cm eng eingepasste Begleitbuch, das sich mit Hilfe des unter ihm verlegten und an der unteren Längsseite herausschauenden Bandes nur schwer herausheben ließ, weil es rechts klemmte. Tipp: Das Band so legen, dass es an der rechten Querseite herausschaut.
Das Begleitbuch selbst ist ein absolutes Highlight: In Leinen gebunden, die Zeichnung von Dali wie auf der Kassette in Silber auf den roten Einband gedruckt, 200 Seiten stark, 1100 g schwer, mit äußerst informativen dreisprachigen Texten und vielen herrlichen großen Fotos, faksimilierten Dokumenten, einer Liste der CD’s und DVD’s (mit Abbildungen der ursprünglichen Cover), einem Index der Aufnahmen, Verzeichnis der Widmungen und Uraufführungen usw.. Toll!
Unter dem Begleitbuch, in Schaumstoff eingebettet, zwei Stapel mit den CD’s und DVD’s, die Hüllen bedruckt wie die früheren Ausgaben (auch hier ein praktischer Hinweis: Die jeweils letzte CD bekommt man nur mit dem Fingernagel an der Unterseite zu greifen). Von den 40 CD’s entfallen 16 auf die Bachsuiten und klassisch-romantische Konzerte sowie moderne Werke und allein 13 auf „The Russian Years“.
Die von Warner (fr. EMI, Erato etc.) produzierten Analogaufnahmen wurden laut Werbung für die Edition neu remastered, und in der Tat lässt sich im Vergleich mit den früheren CD’s eine Verbesserung des Klangbildes feststellen, mal mehr, mal weniger deutlich, je nach Qualität des ursprünglichen Mastering. Insoweit hat sich der Aufwand also gelohnt!
Bei den Aufnahmen der „Russian Years“ handelt es sich um sowjetisches Archivmaterial. Laut Begleitbuch wurden die Konzerte über in den Konzertsälen versteckte Mikrophone ohne Wissen der Künstler mitgeschnitten. Dass es unter diesen Umständen mit der akustischen Qualität dieser Aufnahmen nicht weit her sein kann, kann man sich denken. Auch das Remastering konnte daran nicht viel ändern. Jedenfalls hat das Hineinhören in einzelne Aufnahmen der „Sovjet Years“ den Rezensenten nicht animiert, sich näher mit diesen CD’s zu beschäftigen. Sie wären für ihn - bis auf ausgewählte Beispiele - verzichtbar gewesen.
Die 3 DVD’s schließlich sind eine willkommene Beigabe. Dvorak/Saint-Saens ist eine durchaus gelungene Studio-Aufnahme. Hinweis: Wer Rostro "life" erleben möchte, dem sei dringend die von Unitel produzierte, von DG vertriebene und bei jpc noch erhältliche DVD mit dem Titel „Life & Art“ empfohlen (Rezension siehe dort). Die Bach-DVD hat sich der Rezensent noch nicht angeschaut. Der „späte“ Slawa (hier von 1991) fasziniert ihn nicht mehr so.
Insgesamt stellt die Edition eine große Leistung dar und ist daher zu empfehlen. Umfang (und Preis) hätten aber - ohne Abstriche vom Repertoirewert - reduziert werden können, wenn unter den sowjetischen Mitschnitten eine Auswahl getroffen worden wäre. Im Übrigen: Wer die Hauptwerke der Kammermusik mit Rostropovich sucht, muss zu DG/Decca/Philips-Aufnahmen greifen.
Abschließend noch eine Anmerkung zur Vorrezension: Die Edition enthält keinen Hinweis auf deren Limitierung. Im Gegenteil ist am Ende des Begleitbuchs von möglichen „future reprints or editions of this set“ die Rede.
P.S.: Zur Abrundung des Bildes von Rostro's Persönlichkeit empfiehlt sich die Lektüre von Gidon Kremer, Zwischen Welten, Serie Piper 2004, S. 340 ff.