zurückgenommenes Pathos
Für den, der sich damit abfinden will oder seine Freude daran hat, dass Karajan weitgehend auf die veraltete Haas-Edition zurückgreift, ist dieser Aufnahmezyklus die erste Wahl. Der Unterschied der Fassungen fällt ohnehin selbst Bruckner-Liebhabern oft nicht auf; selbst bei der Achten, bei der die Unterschiede am deutlichsten sind. Den Berlinern mit Karajan gelingt es, trotz der teilweise extrem starken Besetzung, die motivischen Details (die häufig weniger Melodien als Rhythmen oder Schemata sind) so herauszuarbeiten, dass ihr "Wachstum" und ihre Verarbeitung sichtbar werden. Die Bruckner eigenen, registerartigen Klangblöcke werden behutsam geschichtet. Gerade hier wäre Raum für Effekthascherei im fortissimo - die Berliner verzichten darauf zugunsten einer vergleichsweise "lichten" Herangehensweise. So entsteht zurückhaltender Pathos mit makellosem Klang, wo andere für meinen Geschmack einfach nur martialisch sind.