Finnisch als Weltsprache? Moderat Moderne Musikbox macht's möglich!
Ein kluger Kopf verfasste einmal einen (nicht ganz ernst gemeinten) Artikel, gemäß welchem die Finnische Sprache durchaus Chancen hätte, das Englische als Weltsprache zu verdrängen. Immerhin seien es jetzt schon ca.0,05% der Weltbevölkerung, die diese Sprache sprächen.
Seit Verbreitung dieser These (und einiger weitergehender) haben sich Grammatik und Rhetorik dieser Sprache zwar noch nicht ganz so verbreitet wie vielleicht erhofft. Aber eine andere finnische Sprache, die der Musik, hat demgegenüber weltweit einen enormen Sprung in fast olympische Höhen erzielt.
Wer sich dieser 5CD-Box nähert, wird schon beim Anblick der äußeren Aufmachung die Versuchung spüren, ins Innere des Päckchens gelangen zu wollen. - Finnland! Eine Sehnsucht nach einer Welt, die zwar kaum jemand von uns Nicht-Finnen wirklich kennen dürfte; dennoch entwickelt sich ein Verlangen spontan im Herzen des Betrachters beim Anblick der (durchaus klischee-bedienenden) Natur-Foto-Aufnahmen, und nur wer grundsätzlich gar kein Empfinden für vollmundige Orchesterromantik des 20.Jahrhunderts entwickeln konnte, vermag, sich von dieser CD-Box wieder abzuwenden.
In diesem Schatzkästlein ist mehr drin als man vermuten würde: wunderbare Musik für (oder einfach nur: mit) Orchester, teils angereichert durch Instrumental- oder Vokal-Solisten, dazu eine Auswahl unterschiedlichster Kammermusiken; fünf CDs mit kompletten Werken oder auch Auszügen aus solchen geben ein recht umfassendes Bild Klassischer Orchesterliteratur der vergangenen etwa 100 Jahre. Man findet die bekannten Komponisten-Namen wie Sibelius, Sallinen oder Saariaho neben in Deutschland weniger geläufigen wie Kokkonen, Kilpinen und Kaipanen. Und gleichfalls findet sich an Interpreten jene Weltklasse aus nämlichen Norden, die im Zeitalter des Jet-Set heutzutage ohnehin überall auf der Welt gastiert und dort quasi zuhause ist: Hynninen, Lehtinen, Salminen, Kriikku, Kamu, Lintu, Saraste, Segerstam, Söderblom, Isokoski, Saarikettu, Viitasolo, u.v.m.: alles überzeugte (und überzeugende!) Botschafter ihrer nordigen Heimat.
Bei dieser 5CD-Box handelt es sich um Kompositionen des 20.Jahrhunderts aus bereits zuvor veröffentlichten Aufnahmen (insofern zwar für ohnehin finno-phile Klassik-Fans vielleicht bekannte Werke); allerdings waren in Deutschland so manche davon nur schwer oder gar nicht erhältlich! Zugegeben, Sibelius' Musik ist inzwischen mehrfach komplett eingespielt und in einer breiten Palette von Interpretationen konserviert (somit in vorliegender Anthologie "angenehm unterrepräsentiert"); und auch das musikalische Opus des im Jahre 2016 verstorbenen Einojuhani Rautavaara (Nomen est Omen: schon der Name klingt wie Musik!) ist auf den Silberscheiben vollumfänglich erhältlich. Aber nur selten traf man auf repräsentative Hör-Kostproben in Verbindung mit Namen wie Robert Kajanus oder Ernest Pingoud oder Heikki Aaltoila.
Diese aktuelle Sammlung finnischer Klassik, hochromantisch bis neutönend, erfreut zunächst das Auge aufgrund der äußeren Aufmachung, die sich im Inneren angenehm fortsetzt. Die CD-Einzelhüllen nehmen die kleinen Fotos der Natur noch einmal auf, und das Booklet - an seiner Front mit der Nationalflagge "Sininen ja Valkoinen" vor ebensolchem Himmel postierend geschmückt - läßt einen gewissen Stolz für die nordische Heimat erkennen. Das ist durchaus angemessen: die zu hörende Musik ist zum einen repräsentativer Querschnitt durch 100 Jahre Klassik in und aus Finnland, zum anderen bietet die Auswahl der Musik auch aus aufnahmetechnischer Sicht einen großen Beitrag zum Hörgenuss, und zum dritten ist der Inhalt des Booklets sorgsam ausgewogen hinsichtlich eines "so genau und vollständig wie nötig, und so übersichtlich wie möglich": der Gesamttext, Englisch für alle Welt, und Finnisch für die, die diese "künftige Weltsprache" schon mal üben möchten, bleibt - bei der Vielzahl des Angebotenen - trotz der gut recherchierten Detailangaben zu Werk und Künstler angenehm übersichtlich.
Bezüglich der Interpretationen ist man versucht, die bereits anderenorts ausgewalzten Superative erneut etwas höherzuschrauben. Das aber würde wohl dem Angebot nicht mehr gerecht, da ein Übertreiben der positiven Superlative nur allzubald sich ins Gegenteil verkehren könnte. Deshalb wäre mein Fazit in hanseatischem Understatement: Optisch und akustisch wie interpretatorisch "spitze"! Unbedingt empfehlenswert! Oder frei nach Goethe: "Das Musikalische zieht uns hinan: Finnisch als Weltsprache, hier ist's getan!"