Eine innere Reise
Dieser “Historische Roman” ist mehr ein psychologischer Roman und weniger historisch. Es ist ein Roman über die innere Entwicklung (hauptsächlich) eines Samurai und eines spanischen Franziskaner Missionars, über deren Emotionen, Hoffnungen und Gedanken, die sich ändern je nach den Reaktionen anderer einflussreicher Menschen, die sie treffen, und je nach den Informationen, die sie per Briefe aus dem fernen Japan erhalten.
Diese inneren Vorgänge werden von Shusako Endo sehr tief und verständlich beschrieben. Sie haben ein Ziel im Sinn, das für ihr Leben äußerst wichtig erscheint, dessen Erreichen aber völlig ungewiss ist in unbekannter Umgebung und mit undurchschaubaren Charakteren zusammentreffend. Und der Samurai und der Missionar spüren dabei immer deutlicher, dass sie selbst wahrscheinlich gar nichts ausrichten können, dass sie von anderen oder vom Schicksal oder (beim Franziskaner) von Gott abhängig sind.
Auf Seite 245 heißt es:
„The wide world, the many countries, the great oceans. Yet no matter where they went, people were the same. Contention raged everywhere and manipulation and intrigue were at work.....What the samurai had seen was not the many lands, the many nations, the many cities, but the desperate karma of man.“
Und so ist der Roman denn so gut wie gar nicht die Beschreibung der äußeren Reise von Japan nach Rom, sondern die Beschreibung der Hoffnungen, Zweifel, Ängste, Qualen und Resignation in den beiden Protagonisten.
Das ist sehr spannend geschrieben, auch manche Dialoge sind sehr spannend und interessant im Hinblick auf die japanische Mentalität und die unterschiedlichen Ideen über Missionierung in Japan, z.B. im Streitgespräch zwischen dem Franziskaner und einem Jesuiten ( die „Konkurrenz“) vor einer Bischofskonferenz in Madrid.
An manchen Stellen jedoch habe ich mir mehr Erdverbundenheit gewünscht, ich meine damit mehr Beschreibungen der gewöhnlichen Aspekte dieser Reise, z.B. was haben die anfangs vier Samurai-Gesandten (die außer japanisch keine andere Sprache sprechen, der Franziskaner ist immer der einzige Dolmetscher) während der monatelangen Überquerung des pazifischen und dann des atlantischen Ozeans den ganzen Tag über gemacht? Kein Wort davon. Oder was waren das für primitive Fragen, die ihnen von Europäern dauernd gestellt wurden? Das erwähnt Shusako Endo nur ganz allgemein an zwei Stellen, ohne zwei, drei Beispiele und die Antworten darauf zu schildern.
Dies ist ein Aspekt der Erzählung, der dafür sorgt, dass der Eindruck nie ganz verschwindet,
das „Innere“, das „Seelenleben“ hängt hier so ein bisschen in der Luft herum, ohne Bezug zur gewöhnlichen, alltäglichen Realität. Ein paar Seiten mehr mit detaillierten Beschreibungen dieser Realität hätte der 270 Seiten lange Roman noch gut verkraftet.
In dieser Hinsicht ist der Roman „A Wonderful Fool“ besser gelungen.