Mickey-Mousing aus dem Heimstudio
Es ist nicht von Interesse, hier etwas über den Film zu sagen und auch nicht darüber, ob es Sinn macht, wenn es bereits verschiedene Musiken für diesen Film gibt, ob es notwendig ist, eine weitere herzustellen.
Karl Bartos lebt von dem Ruf (der auch hier wieder auf dem Cover klebt:) ein "EX-KRAFTWERK" zu sein. Nach seinem Kollegen Wolfgang Flür hat er ja zuletzt ebenfalls ein Buch über seine Zeit mit der Band geschrieben; eine weichgespülte, seltimentale Reise in die Vergangenheit und anders als das Buch von Flür, von wenig Erkenntniswert. Erfährt man doch, daß Herr Bartos jahrelang am Konservatorium die "kleine Trommel" studiert hat... das neben den Klangstäben und der Triangel wohl langweiligste Instrument des klassischen Orchesters. Der das Ego aufwertende Wert des akademischen Weges aber sitzt tief in Herrn Bartos wenig selbstbewußter Präsentation und so verwundert es nicht, daß er sich jetzt an ein "Kulturgut" anhängt um 'mehr' zu gelten.
Da hat Herr Karl doch laut Promo-Video, in seiner vierjährigen Arbeit an dieser "Filmmusik" etwas ganz spezielles entdeckt: wie außergewöhnlich es ist, wenn man Musik, Geräusche und Sprache kombiniert. Grandios wie er die gesamte Historie des Tonfilms und die Errungenschaften des Tondesigns sowohl in der Kunst, der Werbung und nicht zu letzt im Hörspiel ignoriert. Kein Wort über die finstere Klangforschung der Geheimdienste und den manipulativen Einsatz von Subliminals....
Aber was ist das jetzt für eine Musik geworden? Kraftwerk haben einen prima Begriff kreiert, der das ganz gut beschreibt: "Kling-Klang". Unentschlossen trudelt die Musik hin und her zwischen simpler Illustration, 'Mickey-Mousing', Zitaten wie Herr Bartos selbst sagt, zwischen "Bach und Reich", sowie Jahrmarktsmusik. Es ist sicher unfair einen Vergleich anzustellen, aber wenn es um den Einsatz von Kirmesklängen im Film geht, empfiehlt es sich, einmal die Musik von John Morris zu "Der Elefantenmensch" anzuhören.
Das hier ist für eine Filmmusik deutlich zu aufdringlich, haut einen aus der Handlung und hat etwas von Angeberei des Ausführenden der ruft: hört mal her, was für viele tolle Samples ich habe. Und da liegt das Hauptproblem: Die Klanglichkeit ist ein Sammelsorium an billig wirkenden Presets (besonders entsetzlich sind die trockenen Oboen und Klarinetten).
Sicher gibt es einige ansprechende Stücke und Passagen, wie etwa "The Cabinet Of Dr. Caligari", "Francis At A Loss" oder "Cesare's Attack And Escape", Herr Bartos wäre aber gut beraten gewesen, bei einem "düsteren" Film, einen modernen Trand aufzugreifen und die Musik ein wenig "dreckiger" zu machen, körniger, ein wenig asynchron und damit sozusagen "schräger" (entsprechend der schiefen Architektur des Films), wie im instrumentalen "Hip-Hop".
Es gibt eine allgemeine schlimme Tendenz in der Filmusik der letzten Jahre, unentwegt zu trommeln, zu klappern, düster zu dröhnen mit "Orchester-Stabs" zu schießen und so die Handlung nicht subtil mit Stimmungsgebern emotional zu füttern, sondern sie völlig zu überfrachten. Ich will keineswegs in Abrede stellen, daß Herr Bartos die jeweilige Musik für jede Szene gefühlt, oder erspürt hat; es bleibt beim Hören aber der Eindruck haften, daß er mit diesem Produkt beweisen will, daß er auch einen Soundtrack herstellen kann, so wie er mit dem Album "Electric Music" beweisen mußte, daß er nicht nur Synthesizer, sondern auch Gitarre spielen kann.
Indiz dafür ist das Cover. Nicht etwa, wie bei einem "normalen" Soundtrack-Album, wo das Plakatmotiv oder Variationen von Szenenfotos verwendet werden. Nein hier ist völlig unüblicher Weise der Komponist abgelichtet, mit "künstlerischer"
Denkermütze, sinnierend, komponierend und ... natürlich überhapt nicht gestellt! Man hört förmlich den verzweifelten Fotografen, wie dieser immer wieder ruft, "etwas natürlicher, Karl......bitte!".