Tragisches Belcanto - Wildbad überzeugt wieder.
Rossinis Ermione ist eine hochdramatische Oper, die die Sänger, den Chor, das Orchester und den Dirigenten vor extreme Aufgaben stellt. Man hat deswegen gespannt auf die Wildbad-Aufnahme gewartet und, um es klar zu sagen, das Warten hat sich gelohnt.
Die Sänger sind alle mit der Belcanto-Grammatik und dem Rossini-Idiom bestens vertraut.
Aurora Faggioli besticht als Andromaca mit ihrem dunklen Timbre und ihr schönes Legato.
Moisés Marín als Pirro fühlt sich hörbar wohl in einer Partie, die sonore Tiefen, sichere Höhen und waghalsige Sprünge verlangt, so dass er die Autorität des Herrschers überzeugend mitteilt.
Patrick Kabongo als Oreste muss im ersten Akt eine virtuose Cabaletta in der Höhe des Registers bewältigen. Dies gelingt ihm beeindruckend aber er hat auch das stimmliche Gewicht für die hochdramatische Finalszene.
Chuan Wang ist als Pilade der einzige Charakter, der ziemlich unbeschadet davonkommt. Gesanglich drückt er auch Sicherheit und Verlässlichkeit aus.
Serena Farnocchia muss in der Titelpartie Eifersucht, Liebe, Enttäuschung, Wut ... ausdrücken, besonders in ihrer 7 gliedrigen Gran Scena im zweiten Akt und in der Finalszene. Nicht nur hat sie den Sinn für Stil, die technische Versiertheit und das breite Farbenspektrum für alle diese Gefühle, sie hat auch die unerschöpfliche Energie, um bis in die Finalszene zu überzeugen.
Dies alles wäre nichts ohne einen Dirigenten, der gleichzeitig die komplexe Architektur der großen Szenen aufbaut und den dramatischen Fluss mit allen seinen Wendungen zielstrebig bis in die finale Katastrophe steuert. Antonino Fogliani zeigt sein tiefes Verständnis der musikalischen Sprache Rossinis. Das Orchester treibt die Bewegung unaufhaltsam voran, die Stimmen des Orchesters sind mit denen der Sänger eindrucksvoll verwoben und die Tempi immer im Einklang mit dem Drama.
Dafür braucht es auch ein Orchester und einen Chor (der bereits an der Ouvertüre beteiligt ist), die diese Klarheit und Schönheit der Stimmen mitbringen. Die Ensembles aus Krakau sind in dieser Hinsicht beeindruckend.
Die Tonmeister des Deutschlandfunks haben auch eine hervorragende Arbeit geleistet, so dass man dieses glühende Drama zu Hause bestens verfolgen kann.
Wildbad erweist damit sich wieder erfolgreich als wichtige Stelle der Rossini-Pflege. Der Begleittext von Reto Müller ist wie immer einleuchtend; Naxos könnte aber auch eine Übersetzung des Librettos anbieten (für die Zuschauer in Wildbad gibt es zweisprachige Übertitel).