Vor allem Mensch
„Hauskonzert“ ist aus dem Austausch zwischen dem Pianisten Igor Levit und dem Journalisten Florian Zinnecker entstanden. Als ihnen 2019 die Idee zu dem Buch gekommen ist, war noch nicht klar, wohin die Reise gehen würde – und vor allem war noch nicht abzusehen, welches katastrophale Jahr für den Konzertbetrieb bevorstand. Herausgekommen ist eine Künstlerbiografie, die immer wieder zwischen dem Werdegang und den aktuellen Ereignissen hin und her springt. Wir erfahren, wie Levit zu dem Künstler geworden ist, als der er in den letzten Jahren die größten Erfolge feierte. In Frage gestellt hat er sich selbst eigentlich immer, doch als im März 2020 seine Welt plötzlich stillsteht, wird alles in Frage gestellt. Trotz Wut und Traurigkeit nutzt er die Gelegenheit, um neue Wege zu begehen. Ohne Nachzudenken sind aus einer spontanen Eingebung heraus die allabendlichen Hauskonzert über Wochen hinweg entstanden. Ein völlig neues Konzept in der Musikwelt, mit dem er Hunderttausende von Hörern erreichte.
Das Buch liest sich absolut spannend, da man unbedingt wissen möchte, wohin der Weg führen wird. Anfangs ist der Stil etwas gewöhnungsbedürftig, da der Text aus vielen kurzen Absätzen besteht, was den Lesefluss hemmt. Aber es unterstreicht die Spontaneität der Handlung bzw. der Dialoge, und entspricht in gewisser Weise auch dem Wesen von Igor Levit, der als ständig Getriebener beschrieben wird.
Erzählt werden viele Geschichten, die tief berühren: Menschlichkeit, Engagement, Kämpfergeist, aber auch Selbstzweifel und Sinnsuche. Besonders mitgelitten habe ich bei den Schilderungen aus der Studienzeit. Man ahnt, dass der Weg zum Profimusiker kein einfacher ist, aber dass er von so vielen Grausamkeiten begleitet sein kann, ist schockierend.
Falls man es nicht vorher schon in den sozialen Medien mitbekommen hatte, erfährt man spätestens mit diesem Buch, dass Igor Levit nicht nur als Pianist auf höchstem Niveau unterwegs ist, sondern vor allem als Mensch.