Aus dem Schatzkästchen der 50er Jahre (Teil 2)
Eigentlich ist die Überschrift eine Untertreibung, denn bei dieser Aufnahme handelt es sich um eine veritable Schatztruhe der Otello-Gesangskunst!
Hans Hopf übertrifft seine frühere Aufnahme, er ist glänzend in Form: stimmlich mühelos in jedem Moment, technisch versiert und ausdrucksstark, wie man es kaum sonst findet. Es ist besonders schön, einen genuinen Tenor in dieser Rolle zu hören, der nicht - wie heute leider oft - mit abgedunkelteter, verbrusteter Stimme sich und die Hörer durch die Partie quält. Seine fanfarenhafte Höhe hat den nötigen Squillo, um jederzeit das Orchester zu durchdringen, aber er ist genauso in der Lage, ein sauberes Piano zu singen. Man hat Hopf oft vorgeworfen, nicht der eindringlichste Interpret gewesen zu sein. Hier zeigt er das Gegenteil: ein strahlenderer Sieger, gefühlvollerer Liebender, eifersüchtigerer Rasender und verzweifelnderer Mörder ist selten je so differenziert auf Platte gebannt worden. Dabei ist seine Diktion so klar und sauber, dass man jedes Wort versteht. Herausragend!!!
Fast unglaublich, aber wahr: der oft unterschätzte, aber doch meist fabelhafte Josef Metternich liefert hier als Jago eine ebenso glänzende Leistung ab. Mit unglaublich präziser Artikulation und singdarstellerischer Differenzierungskunst zeigt er alle Facetten dieses Erzschurken auf und kann so einerseits nach außen den anderen Figuren auf der Bühne die Maske des biederen Ehrenmannes präsentieren, aber auch andererseits gleichzeitig in der selben Phrase die abgründige Intriganz seiner schwarzen Seele den Zuhörern vermitteln. Das kann auch Gobbi nicht besser. Phänomenal!!!
Claire Watsons Desdemona bietet auch alles, was der Hörer sich wünschen kann (vgl. feine Piani, strahlende Höhe und tiefe Traurigkeit beim Lied der Weide) und komplettiert eine selten geschlossene, hochklassige Besetzung der Hauptrollen.
Die Nebenrollen sind auch tadellos besetzt. Solch eine Sängerleistung mutet heute leider stellar und fast unerreichbar an.
Sir Georg Solti dirigiert temperamentvoll und differenziert ein Musikdrama im wahrsten Sinne des Wortes!
Insgesamt eine bessere Aufnahme als die Jochums von 1955, die man trotzdem nicht vergessen sollte.
Wäre die Aufnahme nicht in deutscher Sprache, könnte sie Referenzstatus haben, aber dann wäre ihre eindrucksvolle Subtilität
für deutsche Zuhörer auch nicht möglich. Genießen wir es und seien wir dankbar, dass es sie gibt!
Unbedingt empfehlenswert und unverzichtbar für die Otello-Discographie!!!