Die LP/ Das Vinyl ist keine Empfehlung für Audiophile und „sensible Ohren“
Adressiert an Liebhaber analoger Wiedergabetechnik beziehe ich mich in dieser kurzen Rezension ausschließlich und ausdrücklich auf die klangtechnische Umsetzung der mir vorliegenden Pressung von Leon Bridges Debüt-Album in der 180g Version aus dem Jahr 2015.
An der vorliegenden Ausgabe von „coming home“ ist dem ersten Augenschein nach nichts auszusetzen.
Die LP liegt plan auf dem Teller auf. Die Pressung weist kaum Produktionsrückstände auf, so dass sich die Wiedergabe der LP ohne erkennbare Störgeräusche präsentiert. Der schlicht gehaltenen, nicht antistatischen Innenhülle [inner sleeve] “sind neben der Titelreihenfolge, die gewöhnlichen Produktionsinformationen zu entnehmen. Eine Download-Karte liegt der LP bei. An sich eine „saubere Sache“.
Sobald sich der Tonabnehmer allerdings der Wiedergabe des ersten Tonsignals nähert und sich die Nadel diesem nachfolgend in voller Gänze widmet, startet das Fiasko.
Die Wiedergabe präsentiert sich vom Beginn an als maßlos übersteuert.
Erster Eindruck: Ein offenkundig „zu Tode“ komprimiertes Mastering lässt dem auf Vinyl möglichen Dynamikumfang keine „Luft zum atmen“, geschweige denn, dass hierbei das Potential einer Produktion auf LP auch nur ansatzweise ausgenutzt wurde.
Faszinierend klingt definitiv anders.
Evident ist, dass sich [nahezu] sämtliche Inhalte dieser 2015 veröffentlichten LP verzerrt anhören.
Im Frequenzgang der Konsonaten-, und Vokalpräsenz zeichnet sich die Überkompression besonders deutlich ab.
Ungläubig meines erstens Höreindrucks habe ich diese Aufnahme über drei weitere Wiedergabeketten getestet. Zudem habe ich dabei weitere Testhörer eingeladen, und um ihren unverbrauchten Höreindruck gebeten. Der daraus gewonnene Gesamteindruck zu dieser LP bleibt bestehen, manifestiert sich sogar.
Fazit: Kein Genuss für HiFi-Enthusiasten. Kein Hörerlebnis für irgendjemanden. Allenfalls HNO-Ärzten könnte diese LP als Diagnoseinstrument hilfreich sein.
Dem Pressetext zu dieser Veröffentlichung ist zu entnehmen, dass sich Austin Jenkins und Joshua Block berufen fühlten Leon Bridges in deren Studio einzuladen, um gemeinsam mit ihm den Grundstock für das vorliegende Album unter Verwendung analoger Studiotechnik einzuspielen, bzw. aufzunehmen.
Schöne Geschichte.
Schöner wäre es [für uns Hörer] gewesen, wenn während des Produktionsablaufes diese beiden Menschen oder von den nachfolgend für die Produktion verantwortlichen Entscheidungsträgern eine Anpassung an die unterschiedlichen Spezifikationen auf veröffentlichungswürdige Tonträger in Betracht gezogen hätten bzw. vorgenommen worden wäre.
Zufrieden mit einem derart möglichen Ergebnis würde sich eine aufmerksame als auch interessierte Hörerschaft infolgedessen nicht mit Spekulationen wie z.B. meiner nun folgenden auseinandersetzen müssen.
Als möglichen Erklärungsansatz für eine derart miserable Produktion stellen sich lediglich zwei Ansätze zur Wahl.
Entweder wurde bereits die Aufnahme „versaut“ oder der Toningenieur hat es im Nachgang versäumt ein klanglich abgerundetes Master für die LP vorzubereiten.
Im ersten Fall wünsche ich den Herren Jenkins und Block, dass sie sich im Umgang mit analoger Aufnahmetechnik üben und weiterentwickeln mögen. Sofern dieser Prozess beinhaltet, sich gegenüber „durch-optimierten“ Managern zu behaupten, in deren Welt lediglich quantitative Parameter wie Absatzzahlen oder Reichweite von Bedeutung zu sein scheinen bzw. sind, und welche sich zudem so offenkundig unwissentlich und seelenlos mit Musik auseinandersetzen, wünsche ich mir hiermit und somit stellvertretend für alle empfindsamen Hörer von diesen beiden Herren zukünftig handwerklich formidabel produzierte Werke und damit genussvolle Momente.
Damit ist auch ein nahtloser Übergang für den zweiten Erklärungsansatz erfolgt.
Hinzufügen möchte ich, dass selbst der Einwand, bzw. die Überlegung diese Abmischung nach 1958 klingen zu lassen, im Angesicht originärer Studioaufnahmen aus dieser Dekade nicht versöhnlich stimmt.
Welcher Grund, welche Ursache für eine dermaßen schlechte Produktion auf Vinyl verantwortlich zu machen ist, ist im Nachgang ohne Bedeutung.
Die Katze im Sack gekauft und das Kind in den Brunnen gefallen,werden sich genussvolle Menschen und geneigte Hörer zuerst über die schlechte Qualität und dann über diesen Kauf [Unterstützung] ärgern. Der Künstler wird davon nichts mitbekommen, selbst wenn die Absatzzahlen nicht der prognostizierten Wahrscheinlichkeit entsprechen; das Produktionsmanagement wird auch dafür eine passable Erklärung feilbieten.
Als bemerkenswert empfinde ich in diesem Zusammenhang den von Columbia Records der Innenhülle zu entnehmenden Hinweis:
Guaranteed HIGH FIDELITY.
Schade für den Künstler. Schade um diese Musik. Beides hätte eine saubere Reproduzierbarkeit verdient.
In Anbetracht der positiven Rezensionen anderer Käufer bin ich neugierig und freue mich auf etwaige Hinweise, über welche Audiokette, bzw. noch so simples Wiedergabegerät sich diese LP „gut“ anhören könnte oder sollte.
PS: Zeitgleich zu meiner Bestellung bei jpc erreichte mich die E.S.T. - Esbjörn Svensson Trio: Live In Gothenburg. Ein Livemitschnitt aus dem Jahr 2001. Veröffentlicht 2019. Atemberaubend. In sämtlichen Belangen.