Ein erwachsen gewordenes "Indie-Deutschrap-Album"...
...womit ich meinem Fazit eigentlich vorgreife.
Eine Rezension... na gut. Dann schreibe ich, als bekennender Metalhead mit eher ambivalentem Verhältnis zum Sprechgesang, mal eine Rezension zu einer Hip Hop Scheibe - so man denn das aktuelle Werk meines Jahrgangsvetters (1981) denn noch so bezeichnen mag. Die Alben „Magnolia“ und „Exit“ bereichern meine Sammlung im Übrigen ebenfalls – für mich ist „Noah“ also kein neues Terrain was die Werke von Chakuza angeht. Vielmehr schließt sich hier ein Kreis. Trotz vorhandenem Spotify Zugang habe ich die Scheibe „blind“ bestellt und es mir verkniffen, im Vorfeld via Spotify reinzuhören. Die Spannungskurve dieses etwas, zugegeben etwas hängengebliebenem Prozesses vom Kaufs, über das Auspacken der neuen Scheibe und dem Zelebrieren des Auflegens der Platte wollte ich mir nicht verderben.
„Noah“ ist, wie ich finde, eher ein Indie als ein HipHop bzw. Deutsch-Rap Album. Im Stile von „Magnolia“ und „Exit“ herrschen hier nicht nur dumpfe Bässe, sondern gut austarierte Arrangements aus Synthesizern, „echten“ Gitarren, kurz: richtigen Instrumenten. Der geneigte Hörer bzw. des Musizierens nicht kenntnislose Hörer erkennt darüber hinaus, daß hier Leute am Werk waren, die ihr Handwerk verstehen. Die Arrangements der Instrumente und Stimmen klingen stets ausgewogen, nicht überladen. Für mein etwas merkwürdiges Gehör machen die Brachialtracks wie „Noah“ mit viel Hintergrundpathos den Sprechgesang Chakuzas etwas „platt“ (sowohl auf LP als auch auf CD), das mag aber wie gesagt subjektiv sein und mit meinem etwas geschädigten Gehör zu tun haben. Klanglich sind LP wie CD absolut nicht zu beanstanden - da war wohl auch jemand am Werk, der sein Handwerk versteht.
Wie immer gefallen mir die Texte sehr gut und sind für mich, wie auf den früheren Werken Chakuzas auch, immer ein Stück autobiographisch. Das mag man auf irgend´ne Art von verfrühter Midlife-Crisis reduzieren – trifft aber den Kern. Der übliche Mix aus nüchternen Feststellungen zu den kleinen und großen Alltagsdingen, Sprachwitz, trauriger Realität verpackt im österreichischen Zungenschlag (der mir als teutonischem Norddeutschen vielleicht eher auffällt) sind auch auf „Noah“ wieder -zumindest für mich- teilweise sehr autobiographisch; Stellenweise hab ich mal wieder das Gefühl, daß der Typ den Soundtrack zu meinem Leben schreibt.
Klar: scheinbar ist diese Melange aus Reflektion der wilden Jahre, das Ankommen, zur Ruhe kommen mit Mitte Dreißig... so ein Thema, was einen in diesem Lebensabschnitt bewegt – eventuell mehr, wenn die wilden Jahre wirklich hart waren und im Quasi-Burnout endeten.
Nun, soviel zum philosophischen Teil.
Die LP an sich: Nun ja. Die ganze Sache ist schlicht gehalten. Soll heißen: zwei Schallplatten in der klassischen Falthülle. Was mir, nicht unbedingt negativ, auffiel ist, daß auf der Vorderseite der „Chakuza“ Schriftzug aus einem Aufkleber besteht, die Beschriftungen (Titel etc.) auf der Rückseite ebenfalls. Hat einerseits was von Sparmaßnahme, andererseits aber auch wieder cool- gibt der ganzen Geschichte eine Art Relief. Die Liedtexte stehen leider mal wieder nicht drin, das ist etwas, worüber ich mich bei einer LP für 45 Mark (ja! Ich rechne noch um!) eigentlich freuen würde. Die Scheiben selber scheinen von der Pressung her gut zu sein, zumindest ist die Planlage auf dem Plattenteller top. Da gibt es ganz andere Eierscheiben....
Das Album ist, wie bspw. Bei „Magnolia“ auch, auf CD beigelegt. Hier schlicht die CD in einer Kunststoffhülle.
Schallplatte wie CD klingen auf meiner Stereoanlage sehr satt und wuchtig. Die LP ist für meine Ohren recht „baßlastig“ - wer aber so bekloppt und hängengeblieben ist, im Zeitalter des Bulimie-Mukke-Streamens noch Schallplatten zu kaufen ist erstens um 1981 geboren und zweitens ist ihm / ihr klar, daß der Höreindruck subjektiv ist und bspw. je nach verwendetem Tonabnehmersystem stark variiert.
Fazit:
Für den 16-jährigen Nachwuchsgangsta, Fachrichtung Koksdealer mit feuchtem Traum von Bitches im AMG Mercedes ist dieses Album, wie die letzten Werke Chakuzas, (glücklicherweise) nichts. "Noah" ist ein erwachsen gewordenes Indie-Deutschrap-Album; Für mich das fehlende Puzzlestück der Trilogie Magnolia / Exit / Noah. Wir werden alle älter.