Hochglanz-Mahler aus Atlanta und Cincinnati
Es ist erstaunlich, dass die Musik von Gustav Mahler in den USA mindestens genauso beliebt ist, wie bei uns in Deutschland. Aber immerhin war Gustav Mahler ja auch als Dirigent in New York aktiv und erfolgreich. Dieser Zyklus von Telarc enthält die neun vollendeten Sinfonien, die "Lieder eines fahrenden Gesellen" und das Adagio der 10. Sinfonie. Leider fehlt das "Lied von der Erde" ebenso wie die "vollendete" 10. Sinfonie. Letzteres ist umso ärgerlicher als Telarc eine exzellente Aufnahme der Version von Remo Mazzetti mit Jesus Lopez-Cobos produziert hat.
Was wir bekommen sind die ursprünglich zwischen 1991 und 2002 veröffentlichten CDs der Sinfonien mit Original-Cover.
Yoel Levi zeichnet mit dem Atlanta Symphony Orchestra für die Sinfonien 1, 2, 4, 5, 6, 7 und 10 verantwortlich als auch für die "Lieder eines fahrenden Gesellen" mit Frederica von Stada. Das Orchester ist hervorragend, die Interpretationen sind sehr kultiviert und klangvoll, zuweilen etwas zu kontrolliert wie z.B. im Finale der ersten Sinfonie. Aber die Aufnahmen der 2., 4. und 6. sind herausragend und die anderen auch ganz prima!
Jesus Lopez-Cobos übernimmt mit dem Cincinnetti Symphony Orchestra die Sinfonien 3 und 9. Auch diese Aufnahmen sind orchestral makellos und die Interpretationen nobel und idiomatisch, ohne den letzten Funken an Aggressivität.
Robert Shaw ist wiederum mit dem Atlanta Symphony Orchestra plus Chor mit der Achten dabei. Eine schöne Aufnahme, die aber mit besten Interpretationen z.B. von Nagano, Solti oder Chailly nicht konkurrieren kann.
Leider fehlen jegliche Einführungstexte, so dass sich diese Veröffentlichung wohl eher an Klassikfreunde wendet, die schon viele Mahler-Aufnahmen im Schrank stehen haben. Eigentlich schade, denn dies ist eine hochwertige und preisgünstige Mahler-Box mit hervorragender Klangqualität, die besonders für Einsteiger ein verlockendes Angebot darstellt.
Zwei Anmerkungen:
1. Yoel Levi berücksichtigt in der 1. Sinfonie den vom Komponisten verworfenen "Blumine"-Satz und setzt ihn an die ursprüngliche Stelle nach dem Kopfsatz. Damit missachtet er den Willen Mahlers. Als "Zugabe" nach der Sinfonie sollte "Blumine" gespielt werden, denn er kann leider mit der Qualität der übrigen Sätze nicht mithalten.
2. Levi entscheidet sich zum Glück dafür, in der 6. Sinfonie das Scherzo an die zweite Stelle zu setzen. Das ist korrekt, denn es ist ein unglaublicher Effekt, wenn nach dem unerbittlichen Kopfsatz das Scherzo quasi den gleichen Rhythmus sogleich wieder aufnimmt. Leider ist es inzwischen "Mode" geworden, das Andante moderato - für mich der schönste langsame Satz Mahlers - an die zweite Stelle zu setzen. Damit wird das Gleichgewicht der Sinfonie meiner Meinung nach extrem gestört. Mahler selbst war sich nicht so ganz sicher, wie die Mittelsätze anzuordnen sind und letztlich ist es natürlich Geschmackssache. Aber alle für mich relevanten Mahler-Dirigenten (Inbal, Tennstedt, Solti, Karajan, Chailly, Barbirolli, Bertini, Bernstein, Maazel etc.) haben das Scherzo an die zweite Stelle gesetzt; und da gehört es hin!