Eine bemerkenswerte Entdeckung
Aufregend neu: Stefanie Schumachers „Unanswered Questions“ für Akkordeon. Jenseits jeden Klischees und befreit von der Einengung auf volkstümliche Musik zeigt sie die ganze Vielfalt dieses Instruments. Eine echte Entdeckung für Hörer, selbst für solche, die bisher mit Akkordeonklängen wenig im Sinn hatten. Eine spannende Klangreise beginnt. Der Einstieg ist die zwischen Atemlosigkeit und flirrender Spannung oszillierende dreiteilige Suite „Unbeantwortete Fragen“ der Komponistin und Sounddesignerin Masha Khotimski. Schumacher hatte vier Komponisten aufgefordert, sich mit Leos Janáčeks Zyklus „Auf verwachsenem Pfad“ – er schrieb es in der Trauer um den frühen Tod seiner Tochter – musikalisch auseinanderzusetzen und etwas Eigenes daraus zu gestalten. In ihren Beiträgen spüren Masha Khotimski (*1980), Minas Borboudakis (*1974), Arash Safaian (*1981) und Laurence Traiger (*1956) den Gefühlen des Vaters nach und übersetzen sie in Klangbilder, die das Akkordeon in allen Farbschattierungen entstehen lässt.
Ein besonderes Hörerlebnis sind Borboudakis' „Diffracted Thoughts“. Hustend, sirrend, sägend, wie Donner grollend flackern aus dem Instrument bruchstückhaft musikalische Erinnerungsfetzen, die aus einer lang vergangenen Zeit in die Gegenwart greifen. Der Hörer wird unversehens mit hineingezogen in die tiefschwingende Resonanz der tiefen, voluminösen Akkordeon-Klänge. Diese Rückblende verliert sich am Schluss in einem Dialog des Atmens zwischen Instrument und Interpret.
Umgeschrieben für Akkordeon bildet das originale Werk Janáčeks das Zentrum der Aufnahme, eingerahmt von den neuen Kompositionen. Mit außerordentlichem Einfühlungsvermögen arbeitet die Interpretin feinste Charakterzüge der Musik heraus und wirkt damit selbst gestaltend. Hat man sich einmal auf diesen musikalischen Pfad eingelassen, möchte man ihn immer wieder gehen.
Beatrice Ehrlich