Lieblingsringe
Kollo ist kein Melchior, den gab es eh nur einmal. Er ist auch kein Windgassen, wirkt aber dieser Wahnsinnsrolle - in wenigen Stunden vom naiven, ungehobelten Flegel zum Kontrahenden eines Gottes zum Drachenbezwinger zum Liebhaber einer Halbgöttin zum ausgenutzten und zuletzt vernichteten Opfer - jederzeit nicht nur gewachsen, sondern vermag sie glaubwürdig und zumeist differenziert zu gestalten. Sein Timbre gefällt zumindest mir.
Altmeyer ist keine Nilsson/Flagstadt/Mödl/Varnay, jajaja. Ich bin froh darüber.
Endlich darf Brünnhilde auch mal zerbrechlich erscheinen, endlich eine junge Frau sein, keine Unnahbare aus Panzerstahl. Altmeyer verfügt über eine relativ lyrische, relativ leichte Stimme - relativ! Sie ist eine Dramatische, die, wenn sie will, alle anderen samt Orchester übertönt - mit einem mir angenehmen Timbre. Mich spricht diese "menschliche" Brünnhilde an. Sucht man lange genug, findet man auch Ansätze eines amerikanischen Akzents. Beckmesserei.
Einwenden kann man viel eher, dass sie nicht so differenziert gestaltet wie die genannten „Großen“. Deshalb bewerte ich sie auch nicht als ausgezeichnet, aber gut ist sie durchaus. Und das heisst bei den Ansprüchen dieser Rolle viel.
Adam ist nicht (mehr) gut, aber viel weniger schlecht als der wabblige Hotter bei Solti. Die nicht zufrieden stellende Besetzung dieser zentralen Rolle ist um so bedauerlicher, als es Alternativen gegeben hat. Immerhin, eine intelligente, glaubwürdige Gestaltung gelingt ihm durchaus.
Janowski ist kein Furtwängler, sondern ein eher zurückhaltender, äußerst differenziert wirkender Dirigent, der die Sänger sensibel unterstützt, die Musik fließen lässt und dem Hörer viel mehr von den Feinheiten der Partituren nahebringt als der bayreuthische Mischklang. Gänsehautmomente erzeugt er in großer Zahl. Zusammen mit den beeindruckenden Dresdnern und dem ausgeglichenen, transparenten, dynamischen Klang, der sich eindringlich von den häufig künstlich, steril und damit unmusikalisch klingenden Aufnahmen der digitalen Frühzeit unterscheidet, ohne Störungen durch Huster, Raschler oder Bühnengeräusche, gibt es auch hier ein dickes Plus.
Noch eines? Ja, die Ausgewogenheit und das Niveau des Ensembles stechen hervor. Es ist erstaunlich, wie viel der Ring an Geschlossenheit und Ausdruck gewinnt, wenn die Rollen zweiter oder dritter Wichtigkeitsstufe wie hier durchgängig (mit der Ausnahme Hinsch-Gröndahl als Gutrune, die leider so singt, wie sie heisst) sehr gut bis ausgezeichnet besetzt sind.
Fazit: Vom „besten“ Ring, gar von "Referenz" zu sprechen ist unangemessen, da es keinen objektiven Maßstab für dies komplexe Werk gibt, zu berechtigt unterschiedlich sind die Ansprüche und Geschmäcker.
Ich besitze etliche dieser unglaublichen, nie rundum gelungenen Ringe, kenne viele weitere, habe mehrere Bühnenaufführungen durchlitten und genossen - dieser Ring ist mir, trotz Furtwängler, Böhm, Keilberth und Krauss, von Solti, Karajan, Boulez und den Neuaufnahmen ganz zu schweigen, der zweitliebste.
Nach meinem Ehering.