Der große Unterschied
Seit über 40 Jahren habe ich selber in Chören gesungen, vorzugsweise in Kirchenchören. Die Matthäuspassion kenne ich von daher als Chorsänger aus eigener Erfahrung.
Das spannende ist für mich jedes Mal wieder wie völlig unterschiedlich Konzert- und Kirchenmusiker an die Aufführung kirchlicher Werke herangehen.
Dieses hier ist ein Musterbeispiel dafür, dass die Unterschiede kaum gewaltiger sein können. Gardiners Darbietung ist technisch gut, der Klang sehr sehr trocken und künstlich. Um es einfach zu sagen: technisch nahezu perfekt. Aber: ohne Seele!
Es mag gemein klingen, aber fast jeder Kirchenchor singt die Matthäuspassion besser, mit Inbrunst und mit Seele. Das mag dann technisch nicht so ausgereift sein und seine Fehler aufweisen, aber es ist dann menschlich und mitnehmend. Gardiner klingt wie durch eine Glasscheibe, distanziert, ferngesteuert, opernhaft dramatisch abgespult, aber nicht menschlich. Sehr schade, ich hatte mir mehr von dieser Aufnahme versprochen.
Seine Erklärungen im Begleitbuch sind wie Architektenlyrik für mich. Viele Worte, die schön klingen, aber im Grunde nichts aussagen.
Seine Stärke liegt nicht unbedingt in der Bach-Wiedergabe. Seine Monteverdi-Aufnahmen sind um Klassen besser.Ich möchte sie keinesfalls missen.
Diese CD in der Sammlung zu haben, ist nicht falsch, aber auch nicht unbedingt erstrebenswert.Es gibt wesentlich bessere.