Romantische Deutung mit befreitem Tempo
An alten wie neuen Einspielungen der „Großen“ C-Dur-Symphonie von Franz Schubert herrscht kein Mangel. Unter den jüngsten Neueinspielungen hervorzuheben ist zum Beispiel die von Philipp Herreweghe, der mit seinem flämischen Orchester Schuberts Wanderer wunderbar beschwingt und leichtfüßig auf den Weg schickte - so forsch voranschreitend, als würde er statt des Wanderstabs lieber die gerade erfundene Eisenbahn nehmen.
Thomas Hengelbrock verfolgt einen romantischeren Ansatz. Er lässt das Eröffnungsthema der Hörner wie aus der Ferne klingen - „wie ein Ruf der Natur ... um den mythischen Charakter des Sinfoniebeginns zu unterstreichen“ (Hengelbrock im Booklet). Auch setzt er insgesamt auf eine flexible Tempogestaltung, was sich zum Beispiel am zweiten Thema des Andantes zeigt, das vergleichsweise langsam genommen wird, dabei Ruhe gewinnt, ohne ins Stocken zu geraten. Insgesamt entsteht so insgesamt eine eher lyrische, introvertierte, in sich hineinhorchende Deutung Schuberts großer romantischer Sinfonie. Gewissermaßen ein Antipode zu Karajans stählernem Gewaltmarsch durch diese Partitur.
Das NDR Sinfonieorchester scheint ihrem Dirigenten bei dieser Reise sehr gern zu folgen. Man merkt ein ausgezeichnetes Aufeinanderhören der verschiedenen Orchestergruppen, eine extrem gute Durchhörbarkeit und Transparenz des Geschehens, bei dem auch Nebenstimmen zu ihrem Recht kommen. Manchmal hätte ein wenig mehr Die-Zügel-schiessen-lassen, ein Schuss mehr Dionysisches den Puls noch etwas schneller schlagen lassen, aber das mindert nicht die Stimmigkeit der Interpretation.
Insgesamt eine bereichernde und eigenständige Neuaufnahme, die viel Freude bereitet und zum wiederholten Hören einlädt.