Unter dem Fenster von Meister Bach
Aufnahmen des "Wohltemperierten Klaviers", gespielt auf dem modernen Konzertflügel gibt es viele, von eher virtuos (Glenn Gould) bis eher elegisch (Andras Schiff). Ich bin diesen Klang seit langen Jahren gewohnt, allerdings konnten diese Aufnahmen mich nie ganz zufriedenstellen. Als ich die vorliegende Aufnahme hörte, war ich vom ersten Ton an fasziniert und konnte gar nicht mehr mit dem Lauschen aufhören. Während ich alles um mich herum vergaß, erinnerte ich mich plötzlich daran, dass ich als Student häufig auf der niedrigen Gartenmauer eines Hauses saß, in dem ein Klavierprofessor wohnte. Ich kam täglich an diesem Haus vorbei; es lag auf meinem Weg von der "Bude" zur Uni. Wenn an wärmeren Tagen die Terrassentür offen stand, schlugen mich die Klänge aus dem Hause sofort in ihren Bann, ich setzte mich hin und hörte zu, alles andere um mich herum hatte ich vergessen. So erging es mir hier. Es war, als säße ich in Köthen unter dem Fenster von Meister Bach, hörte ihn spielen und konnte mich nicht losreißen. Da ist nichts zu spüren von der akademischen Trockenheit mancher Aufnahme, technisch super gespielt, aber musikalisch leider unzulänglich. Hier ist Musik zu hören, deren Tiefsinn sich mir bisher trotz vieler gehörter Aufnahmen und eigenen Versuchen nicht erschlossen hatte, Musik, die mich nicht mehr losließ! Bei dieser Aufnahme erkennt man, dass Komponist und Interpretin sich über die Jahrhunderte gefunden und verstanden haben! So etwas kann man nicht beschreiben, das muss man hören! Zu diesem Hören kann ich Sie nur ermutigen!