"May the truth ring out from every small town bar"
Kurz vorweg: "Letter to you" ist ein schönes, abwechslungsreiches und Freude bereitendes Spätwerk von Bruce Springsteen.
Nach dem aufwendig und filigran eingespielten Soloalbum "Western Stars" aus dem vergangenen Jahr, legt er nun nach mehreren Jahren wieder ein Album mit der E-Street Band hin. Aufgenommen in seinem Heimstudio im November 2019, bietet "Letter to you" neben ruhigeren Liedern und schnelleren Rockstücken auch drei neu mit der Band aufgenommenen Versionen älterer Springsteen-Kompositionen... sehr viel älter, da "If I was the priest", "Janey needs a shooter" und "Song for orphans" aus den Jahren 1972 und '73 stammen, aus einer Phase in seiner Karriere, in der das Debütalbum "Greetings from Asbury Park, NJ" noch gar nicht veröffentlicht war. Besonders "If I was the priest" dürfte dabei vielen gefallen, die spielfreudigen und an beste The-Band-Zeiten erinnernden Folkrock zu schätzen wissen. Von den neuen Songs wissen vor allem "Ghosts", "Burnin' train", "Last man standing" und "Rainmaker" zu überzeugen, letzteres hätte auch auf dem gelungenen 2007er Album "Magic" einen passenden Platz gefunden - Springsteen schrieb dieses Lied über einen Demagogen vor ein paar Jahren über George W. Bush, hielt es aber auch im Jahre 2020 zu Recht noch für aktuell genug.
"Letter for you" ist jedoch keine politische Platte geworden, sondern eine sehr persönliche Rückschau auf das eigene Leben. Thematisch ist "Letter to you" dabei ein stark in Erinnerungen an Springsteens Anfänge als Musiker schwelgendes, zum Teil wehmütiges Album, was von ihm mit nach wie vor erstaunlich ausdrucksvoller und nuancierter Stimme und von seiner Band mit der ihr eigenen Finesse eingespielt wurde. Kein Meisterwerk, aber ein wunderbares Lebenszeichen und aus meiner Sicht sein bestes Rockalbum seit "Magic".
Gelungen auch die klangtechnische Umsetzung dieser an sich recht kurzen Aufnahmesession von 2019, Ron Aniello erweist sich nach "Western Stars" neuerlich als Glücksgriff als Albumproduzent.