Zum Hinhören
Natalia Gutmans auf dieser CD vereinigte Einspielungen der beiden Violoncellokonzerte von Dmitri Schostakowitsch entstanden am 21. Juni 1976 (Erstes Konzert, Kirill Kondraschin am Pult des Radio- und Fernsehorchesters der UdSSR) und am 11. November 1986 (Zweites Konzert, Moskauer Staatsphliharmonie unter Dmitri Kitaenko) jeweils im Tschaikowsky-Konservatorium in Moskau. Zusätzlich befindet sich auf der CD eine im Gnessin-Institut in Moskau am 2. Januar 1982 aufgezeichnete Aufnahme von Alfred Schnittkes Dialog für Violoncello und sieben Instrumente mit dem Gnessin-Kammerorchester unter Juri Nikolajewski. Frau Gutman hat die beiden Konzerte 1990 noch einmal für die RCA mit Juri Temirkanow und dem Royal Philharmonic Orchestra eingespielt.
Mittlerweile herrscht kein Mangel mehr an Aufnahmen der Werke. Mit dem Widmungsträger Mstislaw Rostropowitsch wurden beide Konzerte mehrfach aufgenommen, vor allem das Erste, das durch die amerikanische Ersteinspielung aus Philadelphia mit Eugene Ormandy rasch populär wurde. Eine meiner persönlich liebsten neueren Aufnahmen ist jene mit Heinrich Schiff mit dem Symphonie-Orchester des BR unter Maxim Schostakowitsch, eine weitere historische, sehr interessante, eigenwillig phrasierte, energiegeladene Version des Zweiten Konzerts gibt es - derzeit leider nur in einer Box - mit Daniel Schafran und den Moskauer Philharmonikern unter Temirkanow. Großer Beliebtheit erfreuen sich die Münchner Aufnahmen der Werke mit Sol Gabetta - ich meine durchaus zu Recht und nicht nur wegen des Starrummels um die junge Frau.
Natalia Gutman spielte die beiden Konzerte live in Moskau mit einem wunderbar kernigen, leicht näselnden, präsent-substanzreichem Timbre und viel Emotion. Sie verleiht den unterschiedlichen Satzcharakteren viel Farbe, setzt starke Akzente, lässt ihr Instrument in den kantablen Abschnitten ganz wunderbar singen. Sie geht nicht an expressive Grenzen wie das Daniel Schafran tat, bleibt aber auch nicht ganz so auf Distanz zum emotionalen Gehalt wie Heinrich Schiff. Am ehesten würde ich ihr Spiel vielleicht noch mit dem Rostropowitschs vergleichen, wobei jedoch stets ihr individueller Ton und Zugang hörbar bleiben.
Bei beiden Konzerten gestalten Kondraschin bzw. Kitaenko den Orchesterpart gleichberechtigt, differenziert und sehr lebendig; die vielen solistischen Passagen im Orchester, nicht nur die prominente Hornstimme im Ersten Konzert, kommen prägnant und überzeugend zur Geltung. Das ist spannend und macht beim Zuhören Spaß.
Die Tonqualität ist - leider - sowjetisch. Zu viel Hall, eine leichte Neigung zum Übersteuern, damit muss man bei ansonsten ordentlicher Transparenz, Präsenz und Räumlichkeit leben. Auch mit Publikumsgeräuschen. Wermutstropfen, die ich angesichts der interpretatorischen Qualitäten dieser Einspielungen gern schlucke.
Im Schnittke-Werk erkennt man auf Anhieb den ausgeprägten Personalstil des Komponisten, ich kenne keine Vergleichsaufnahme, diese hier klingt jedoch zwingend und spannend.
Für mich ist diese Aufnahme eine gleichberechtigte Alternative zu den erwähnten zum Teil großartigen Konkurrenzeinspielungen.