Archäologie & Politik
Dieser imposante, über 650 Seiten umfassende, reich illustrierte Bild- und Textband bietet reiches Informationsmaterial zu der erst in den letzten 20 Jahren in die breite Öffentlichkeit getragenen Diskussion um Rückgabeforderungen von archäologischen Monumenten (Stichwort: Nofretete-Büste) an die Ursprungsländer.
In 14 größeren Kapiteln versuchen mit der Materie vertraute Wissenschaftler unter verschiedenen Gesichtspunkten (u.a. Kolonialismus, Militär, Religion, Wirtschaft, Spionage, Okkupation, Aquisition) die jeweilig politischen, religiösen, wirtschaftlichen, strategischen oder schlicht eigensüchtigen Hintergründe aufzudecken, die in der Archäologie eine so dominierende Rolle gespielt haben, wie man sie als Laie bisher nicht in Erwägung gezogen hat. Oftmals waren es Konsuln, Offiziere, Bankiers, Priester, Ingenieure oder Geologen, die den ersten Anstoß zur Feldforschung gegeben haben.
Natürlich kommen in diesem Aufsatzband auch die bedeutenden Archäologen (Woolley, Koldeway, Layard, Borchardt, Rohlfs, Hedin, Flinders Petrie u.v.a.) die nicht immer detailliert in die Hintergründe der politischen und wirtschaftlichen Machtinteressen ihrer Auftraggeber eingeweiht waren, gebührend zu Wort. Denn nicht zuletzt war auch nationales Prestigedenken der beteiligten Nationen und der Wille, einen potenziellen Mitkonkurrenten von ergiebigen Grabungsfeldern fernzuhalten, ein wesentlicher (und vor allem unwissenschaftlicher) Faktor, um konfliktbelastete Konstellationen über die jeweilige Region hinaus heraufzubeschwören.
Inwieweit nun die europäische Wissenschaftsinvasion im nachhinein als ein Segen für die Weltarchäologie & Weltkunstgeschichte oder doch im wesentlichen mehr als eine erfolgreiche Schatzsuche für prestigeträchtige europäische Museumsbauten anzusehen ist, darauf können die vielen Beiträge in dieser Veröffentlichung natürlich keine endgültige Antwort geben.
Aber zumindest hat der Leser eine reiche Dokumentation vor sich, die ihm, im Kontext zur europäischen Kolonialgeschichte der Jahre zwischen 1860-1940, viele Details zur Archäologie, Politik und Kulturgeschichte dieser Zeit vermittelt, wie sie, derart opulent aufbereitet, bisher so noch nicht vorgelegen hat und daher nur zu empfehlen ist.