Schmäh!
Schumanns Sinfonien liegen mittlerweile in unzähligen Einspielungen vor. Thielemanns Affinität zu den deutschen Romantikern ist bekannt. In der Tat liefert seine Aufnahme interessante Details zu Schumann in puncto Durchhörbarkeit und Stimmführung, belichtet manche Details überraschend neu, macht Nebenstimmen als wichtig hör- und erfahrbar - und wirkt dem Vorurteil heilsam entgegen, daß Schumann eine ungeschickt-dicke Instrumentation innewohnt, Trotz seiner Stimmverdopplungen ging dieser Komponist nämlich sehr skrupulös und bewußt vor, auch dadurch, daß er das Beethovensche und Schubertsche Modell bewußt verwarf und zu überdenken bzw. zu überschreiten versuchte. Nicht immer geglückt, aber allemal wagemutig.
Was an dieser Aufnahme allerdings sehr bald negativ hörbar wird, ist die geradezu "wienerische" Gemütlichkeit der gewählten Tempi. die sogar Karajan und Furtwängler an Langeweile übertrifft. Sehr wohl sei gewarnt vor vielen überhitzten und grundlos forcierten neueren Aufnahmen (auch von CPO), für die stellvertretend die Namen Bernstein und Gardiner stehen mögen. Nur durch Überhitzung wird Schumann sofort verfehlt, er war kein Sturm- und Drang- Komponist. Dies ist die oberflächlichste Lesart des Romantischen, bei Schumann insonders..
Agokik tut freilich not, aber analytisch, nicht aufgesetzt wie bei Thielemann. Was Sinopoli hier mit demselben Orchester in seiner - sprechenderweise - vergriffenen Gesamtaufnahme geleistet hat, greift in Tiefenschichten, die Thielemann nicht einmal streift. Gegen Sinopolis Sternstunde wirkt Thielemann bieder und oberflächlch. Und ist es auch.
Selbst die alten Aufnahmen von Szell und Boult, sogar Masur lassen ein Mass an Einsicht und Tiefenschärfe ahnen, gegen die gehalten Thielemanns Einspielung redundant wirkt.
Man bekommt starke Zweifel am gegenwärtigen Musikbetrieb und dessen Vermarktung, wenn Aufnahmen wie diese einem als Gipfel der Kunst anempfohlen werden... Thielemanns Verdienste insonders um Wagner bleiben davon unberührt.