Carlos Kleiber - Musik und Mythos
Diese DVD gehörte einst zu einem Unitel-Philips-DG Fünfer-Pack, das Konzerte aus dem Concertgebouw Amsterdam, dem Wiener Musikverein und dem Münchner Herkulessaal beinhaltete: Kleiber Konzerte als live Event - tempi passati:
Ähnlich wie im profanen Konsumleben, werden Güter knapp und selten erhältlich so wie Kleibers Musikgüter, dann steigen Nachfrage vv. Wert bzw. Bewertung.
Wer kaum mehr auftritt und dirigiert oder einspielt, wird zum raren Kulturereignis wie in München, Wien oder Japan, das man um jeden Preis erleben will, wenn auch die Qualität stimmt. Und eine
musikalisch extraordinäre kann man Kleiber nicht absprechen, zumal er selbst sein größter Kritiker war und sich dafür, wenn auch selten, sehr teuer bezahlen ließ.
Zum kommerziell Eingemachten: wenige Studio- und Live- Mitschnitte, Philips und DG-Produkte bis zum Bruch über das Dresdner Tristan-Desaster mit Herrn Kollo, dann die Münchner Orfeo Audio-Aktivitäten und die audiovisuell durchweg zweitklassigen Unitel DVD-Produkte.
Kleibers musikalisch-interpretatorische Einzigartigkeit gilt für mich besonders beim Konzert im Wiener Musikvereinssaal, Okt.'91, als er Mozarts Linzer und Brahms 2te Sinfonien musikalisch überzeugend und so überbewältigend stimmig hörbar und dirigentisch-gestisch auch so plausibel darstellte zum, allen audiovisuellen Einschränkungen der 'Unitel' zum Trotz, grossen musikalischen Kleiber-Ereignis, m.E. so wie das 89er Wiener Neujahrs-Konzert.
Die Orfeo-Re-Produktionen der Münchner Beethoven-Konzerte aus der Staatsoper der 4ten und 7ten und das mp3-getapte Konzert der 6ten sind höchst illustre live-Events, jedoch akustisch z.T. - 6te und 7te - eher trocken-stumpf kompakt im Vergleich zum Standard.
Wer die vergleichbaren DG-SACD-Ausgaben der 5-7ten und der 4ten Brahms aus Wien mit den live-Münchnern vergleicht, sollte zugeben, dass die alten Musikvereins-Aufnahmen der 70er, wennauch nicht optimal, jedoch allemal akustisch balancierter und musikalisch hörbar stimmiger klingen als die 'live' mitgeschnitten forciert-getriebenen.
Nicht zu vergessen: die 1975 produzierte und hinreißend lebendige Fledermaus aus dem Münchner Herkulessaal (Iwan Rebroffs bewußt gefistelter Orlofsky war heiß diskutierter 'Stein des Anstoßes'), Verdis Traviata und auch Webers Freischütz: die Über-Alles-Qualität war, ist und bleibt eindeutig!
Was nun bleibt, tempi passati, ist das Bedauern über imaginäre Verluste möglicher Aufnahmen und Einspielungen, denen seines Übervaters Erich vergleichbar: Beethovens 3te-Eroica, Schuberts grosse C-Dur, Mozarts späte Sinfonien und die 'Hochzeit', Berlioz' Fantastique, Dvoraks 9te, Bergs Wozzeck ...
Immerhin, da gibt's noch Verdis Otello- und Bizets Carmen- Aufzeichnungen, akzeptabel, m.E. nicht erstrangig.
Münchner Musikfreunde, die ihn noch erlebt haben, meist mit dem Rosenkavalier, werden sein Andenken 'allzeit' bewahren.
Ohne jeden Hype, es gibt die Handvoll C.Kleiber-Aufnahmen, die über jeden Zweifel 'erhaben' sind.