Nachteinsamkeit in Ebrach - ein Erlebnis!
Wenn ein junger Organist wie Martin Sturm sich in eine so empfindliche und empfindsame Orgellandschaft wie die des Ebracher Klosters begibt, darf man gespannt sein. Ich persönlich finde es ebenso schwierig, das Monumental-Schöne aus der modernen Hauptorgel herauszukitzeln, wie das Zarte, zu Herz Gehende aus den zwei wunderbaren Chororgeln des 18. Jahrhunderts. Für Ebrach wollen die richtige Musik und die interessante Interpretation gesucht und gefunden sein. Schon öfter habe ich in Ebrach etwas fade Konzerte gehört, weil die Interpret/innen sich nicht sehr auf die Raumakustik oder die Eigenheiten der barocken, kammermusikalischen Chororgeln eingelassen haben.
Sturm nimmt diese Hürden mal mit Verve, mal mit extremer Subtilität. Seine CD ist ein in sich geschlossenes Konzerterlebnis, mit einem gewählten Thema (Nacht) und einem großartigen Spannungsaufbau. So kann Muffat neben Schönberg, neben Pachelbel und neben ... Sturm stehen - und nichts kommt sich in die Quere. Sturms monumentale, mitreißende Anfangsimprovisation erfährt einen beinahe verzaubernden Kontrapunkt in der folgenden Pachelbel-Aria, in der genau das passiert, was nur zu selten bei Konzerten an historischen Instrumenten der Fall ist: Als Zuhörer/in spürt man die Orgel "atmen". Sturm registriert sparsam, lässt die historischen, jüngst teilrekonstruierten Keilbalganlage von Kalkanten bedienen - ich meine, selbst dies im singenden Klang der gewählten Register hören zu können. Und so singen die Chororgeln in bescheidenen, doch gerade dadurch effektvollen Registrierungen und ziehen einen tief in den Bann der Musik. Auch die gewählten Tempi tragen zu der ruhigen Atmosphäre bei, die einen beim Zuhören still, entspannt und gleichzeitig hochkonzentriert werden lässt. Man möchte keine Note verpassen. Auch Sturms teils experimentelle, teils déjà-vu auslösende Eigenkreationen lassen sich immer von Instrument und Raum inspierieren.
Das Booklet liefert viel Informatives, aber auch viel Literarisches, Essayistisches, das an manchen Stellen - pardon - etwas schwurbelig wird. Darüber kann ich hinwegsehen. Solche "programmatischen" Konzert-CDs dürfte es mehr geben. Wäre ich ein reicher Mäzen, hätte ich jede Menge Orte und Orgeln im Sinn, an die ich Herrn Sturm schicken möchte!