So muss Braockmusik klingen
Als hätte er gegen die Bedeutung seines Namens anschreiben wollen: Boismortier heißt übersetzt in etwa totes Holz – bois mort eben. Aber wie lebendig klingt die Musik dieses Joseph Bodin de Boismortier (1689-1755), wenn sie von einem Ensemble gespielt wird, das aus jeder Note den barocken Esprit derart herauskitzelt – fast könnte man sagen „bis zur Erschöpfung“, doch davon ist beim Neumeyer Consort nun wirklich nichts zu spüren: Alles klingt tänzerisch beschwingt, mit behänder Akkuratesse intoniert, von großer Kunst und Tiefgang geprägt.
Boismortier war nicht nur ein Zeitgenosse von Georg Philipp Telemann, sondern wurde auch als dessen künstlerischer Doppelgänger à la française gerühmt. Die Parallelen in puncto Experimentierfreude sind überdeutlich. Und beiden Komponisten war der Blick über den stilistischen Tellerrand geradezu heilige Pflicht. Wie Telemann auch war Boismortier darüber hinaus ein raffinierter Arrangeur und Jongleur der Besetzung: Alles ist möglich, was seiner Musik ad priori eine originelle Vielschichtigkeit verleiht – wenn man denn klug zu disponieren versteht.
So wie Felix Koch, Dirigent (und in neun der hier aufgenommenen zwölf Stücken auch Cellist) des Neumeyer Consort, das Boismortiers Vorlagen inspiriert nachspürt und seine Opera 34 et 37 höchst originell präsentiert. Wobei die Werke schon mal nicht nacheinander, sondern bis auf eine Ausnahme sozusagen in spiegelbildlicher Anordnung erklingen. Doch damit nicht genug: Auch die Besetzung wechselt bei jedem Stück, so dass man immer wieder neu aufhorcht. Nur selten spielen die gleichen Instrumente: Außer in Nr. 5 aus Opus 37 mit Violine, Violoncello und B. c. hört man alternierend stets einen oder mehrere begleitete Bläser. Im Basso continuo wechseln sich (sogar innerhalb der Stücke) Orgel und Cembalo ab. Ein Satthören oder allzu kontemplatives Versinken im ständig gleichen Klangbild wird also kreativ vermieden, der dadurch potenzierte Charakter lässt die Musik an Farbe und Kontur gewinnen.
Über 70 Minuten erlebt man ein angeregtes Parlieren: Eine klingende Choreographie zieht sich durch alle 42 Sätze der fünf Trios, sechs Quartette sowie des eröffnenden Concertos und erinnert wohl nicht zufällig an den barocken Kontratanz, jenes gesellschaftliche Spiel des Kennenlernens und geordneten Partnertauschs. Wie gleich im eröffnenden e-Moll-Concerto aus Opus 37 Traversflöte, Oboe, Violine und Fagott miteinander loslegen: filigraner Swing in den schnellen, ein verträumtes Schweifen in den langsamen Sätzen. Dass die Musizierenden des Neumeyer Consorts perfekt aufeinander eingespielt sind, verleiht dem Klang eine fast schon intime Tiefenschärfe.
Acht Musiker sind zu hören, stets Meisterinnen und Meister ihres Fachs. Diese acht Individuen finden jedoch immer jenen perfekten Moment, der ihrem Zusammenspiel die gerade gebotene Transparenz und Homogenität verleiht. Um einem selbst gesetzten musikpädagogischen Anspruch gerecht zu werden, lädt das Neumeyer Consort zu jedem seiner Projekte außerdem ein vielversprechendes Nachwuchstalent ein: Hier ist es der zum Zeitpunkt der Aufnahme 15-jährige Blockflötist Lukas Rizzi, der in den Nummern 2 und 4 aus Opus 34 glänzt.