Unbedingt lesen!
Was ist Objektivität? Diese Frage scheint Bungert dem Leser in seinem Prosadebüt vor die Augen halten zu wollen. Ähnlich Platos Höhlengleichnis lässt Bungert das Porträt von Fred aus den unterschiedlichsten Eindrücken aus Freds Bekanntenkreis entstehen. Diese Eindrücke sind natürlich persönlich gefärbt durch die Personen, die interviewt werden und keineswegs widerspruchsfrei. Dieses Puzzle darf der Leser selbst zusammensetzen. Das gelingt am besten, je klarer der Leser die persönlichen Färbungen der interviewten Personen erkennt. (Also: aufmerksam lesen!) Am Ende ergibt sich ein Porträt von Fred, das viele autobiografische Züge enthält. Aber nur in dieser Person nach dem Autor zu suchen, wäre für Bungert zu kurzsichtig.
Bungert beschreitet genau den entgegengesetzten Weg, den Biografen oder Verfasser von auktiorialen Erzählformen oder von wissenschaftlichen Artikeln gehen. Er versucht erst gar nicht dem Leser Objektivität zu suggerieren. Jeder sieht eine etwas andere Person in Fred. Das ist menschlich und ganz normal. (Diese Tatsache müsste in Universitäten und Schulen viel mehr beachtet werden!) Vielleicht wartet mancher Leser vergebens auf das Interview, worin Fred „richtig“ dargestellt wird und das Puzzle sich löst. Die Puzzleteile passen nicht, wenn der Leser auf die mehr oder weniger eingeschränkten Sichtweisen in den Interviews blind vertraut.
Interessant wird die Erzählung gerade durch die Emotionen, durch die Unterschiede in den Darstellungen.