Auch in 2020 ist alles gut im Fluss bei Wolfgang Niedeckens BAP!
Klare Worte, Gesellschaftskritik und tiefgreifende Weisheiten, das ist die eine Seite, die Alben von Wolfgang Niedeckens BAP seit mehr als 40 Jahren auszeichnet - eingängige Rockballaden, bis hin zu fetzigem Rock die andere.
"Alles fliesst" ist das neuste Werk des bald siebzig jährigen Kölners und gemäß des gleichnamigen Titels geht's darauf verstärkt "Volle Kraft voraus".
Mit seiner über die Jahre immer mal wieder umformierten Band BAP hat er deutsche Musikgeschichte geschrieben und diese nachhaltig mit geprägt und sich weit über die Stadtgrenzen der Domstadt hinaus in die Gunst des Publikums gespielt und gesungen.
Das es sich hier nicht nur um ein mildes Alterswerk handelt und bei ihm und seinen Mannen musikalisch tatsächlich noch alles gut im Fluss ist beweist er uns mit vierzehn neuen Songs, die mal mit düsterer Dramatik ("Ruhe vor'm Sturm), dann mit erfrischender Leichtigkeit ("Huh die Jläser, huh die Tasse"), oder auch mit witziger Gelassenheit ("Amelie, ab dofür") daherkommen und das Zuhören zu einem kurzweiligen und spannenden Hörerlebnis werden lassen.
Klagende und zornige Gitarren leiten den Song "Jeisterfahrer" ein, der mich in seiner Machart an die tolle Nummer "Unger Krahnebäume" vom 2004er Sonx-Album erinnert - dazu ein Text der viel Wahres enthält, wie zum Beispiel die Zeilen "Und du fühlst dich wie ein Jeisterfahrer, aufgekratzt und schlecht, unterwegs im Land der Dichter und Denker zwischen Hölderlin und Brecht, wo jetzt Katzengold als Sensation, getürkte Emotion, Ballermann un Dschungelcamp. Scheißejal, die Quote stimmt!" den Ton angeben. Wenn ich auch politisch nicht immer ganz und zu 100% auf Niedeckens Spur bin, so spricht mich diese Nummer sehr an, zumal auch ich mir in der heutigen Zeit immer häufiger wie der dort beschriebene Geisterfahrer vorkomme.
Ganz großes Kino gibt's auch mit der für mich wohl schönsten und berührendsten Nummer des gesamten Albums: Die hochemotionale und wunderschöne Ballade "Mittlerweile Josephine", mit der er nicht nur wie zu lesen war seine dort besungene Tochter zu Tränen gerührt hat, sondern mich fast auch.
Hier zeigt sich einmal mehr welch begnadeter und guter deutscher Singer und Songwriter der vierfache Vater Wolfgang Niedecken ist. Er besitzt die Gabe seine persönliche Umgebung, die unmittelbare und auch die weit entfernte, immer genau zu beobachten, zu analysieren und diese gesammelten Eindrücke dann schließlich in oftmals komplexen Songtexten zu beschreiben und zu verarbeiten. Von seinem großen Vorbild Dylan hat er sich jedenfalls viel abgeschaut und gelernt - sein Facettenreichtum ist wieder mal beachtlich: Von ironisch, mahnend, nachdenklich, poetisch, zornig, bis hin zu liebevoll und zärtlich.