Eine Überraschung für Donizetti Spezialisten
Donizettis Imelda ist eine Überraschung. Die Oper, unmittelbar vor der Anna Bolena geschrieben, die Donizetti den großen Durchbruch brachte, war zu Donizettis Zeiten kein großer Erfolg. Ich kaufte sie daher mehr zur Vervollständigung meiner Donizetti-Sammlung und war von ihrer Qualität völlig verblüfft. Die Handlung ist eine Romeo-und-Julia Geschichte. Wie anders geht Donizetti aber das Thema an als Bellini, der im gleichen Jahr (1830) seine Capuletti ed Montecchi auf die Bühne brachte. Hat man bei Bellini das Gefühl, zwei sich liebende Kinder würden zwischen ihren Familien zerrieben, ist Donizetti deutlich härter und irgendwie moderner. Es ist mehr eine Ehrenmordgeschichte, in der ein Bruder ohne Gnade seine Schwester tötet, die den falschen Mann liebt. Es gibt nicht viele Arien, dafür Chöre und spannungsgetragene Recitative. Beeindruckend die einige Arien einleitenden Klarinettensoli. Insgesamt eine Oper, die man kaum als Belcanto-Oper bezeichnen kann und die in Richtung Musikdrama geht. Es zeigt die stilistische Vielseitigkeit Donizettis, wenn man die Imelda mit der nur wenige Monate später entstandenden Anna Bolena vergleicht.
Eine sehr schöne Aufführung. Natürlich kann man bei einer Aufführung einer unbekannten Oper nicht die großen Spitzensänger erwarten. Sie werden aber ihrer Aufgabe, wie auch das Orchester und der Chor des Radios der italienischen Schweiz , vollauf gerecht.
Besonders gut ist der Text des Booklets mit einem Essay , der das Werk musikgeschichtlich einordnet. Das Libretto ist vollständig abgedruckt, aber nur auf Italienisch. Gerade wegen der Recitative lohnt es sich für alle, die etwas Italienisch können (und das dürften viele Donizetti Spezialisten sein), das Libretto während des Hörens mitzulesen. Die Handlung ist im Übrigen gut zusammengefasst.
Insgesamt kann ich sagen, dass die Aufnahme kein Werk für alle ist, aber ein Muss für Donizettikenner..