Memento mori
Die wilden Jahre sind vorbei, Ougenweide muß nichts mehr beweisen (sowieso nicht mehr seit es zwei Tributalben an die Gruppe gibt) und hat sich mit diesem Album auf eine gesetztere Art zurückgemeldet. Die Qualität von Stoffauswahl und Arrangement knüpfen nahtlos an die alten Zeiten an, aber der Grundton hat sich von Tanzmusik zu eher kontemplativen Tönen verschoben, wobei es natürlich Einschübe von Temperament gibt. Und dieses Konzept geht zumindest für mich auf; der Herzspung ist ganz gemäß des Titels eine Massage für die Seele, nicht für das Tanzbein, wunderschön anzuhören und keinesfalls schmalzig oder langweilig. Alte und junge Ougenweide-Fans kommen hier sicher genauso auf ihre Kosten wie Neulinge die abwechslungsreicher Musik wie z. B. Loreena MacKennit oder Clannad, Neofolkern wie Ainulindale oder Empyrium oder Mittelalter-Spielleuten wie Holger Hofmann etwas abgewinnen können.
In der Retrospektive wirkt das Album wie ein Memento Mori im Vorfeld von Frank Wulff-Ravens Tod, und das Bewußtsein daß die Gruppe so nie wieder zusammenspielen wird gibt den leisen Tönen noch mehr Tiefe. Gleichzeitig wurde mit Sabine Maria Reiß eine wirklich adäquate Besetzung für den weiblichen Gesangspart gefunden (tolle, variantenreiche Stimme, singt flüssig in vielen Sprachen), und es ist traurig und schade daß diese nun nicht mehr mit Franks musikalischer Genialität interagieren kann; was hätte daraus noch für Musik entstehen können! Andererseits ist das Buch Ougenweide sicher noch nicht abgeschlossen; wir warten also gespannt auf die Zukunft und erfreuen uns an der älteren und jüngeren Vergangenheit...