Wertvoller Beitrag zur Wiederentdeckung Emilie Mayers
Barbara Beuys kommt mit ihrer Biografie ein wichtiges Verdienst für diese Komponistin zu.
In geschickter Dramaturgie zeichnet sie den Werdegang Mayers, eingebettet in wichtige Exkurse zur Zeitgeschichte, im besonderen aber zur Rolle der Frau und zum Geschlechterverständnis jener Zeiten. So fand ich es spannend - weil mir bis dato unbekannt - daß ausgerechnet Rousseau als eine der Ikonen der Aufklärung mit seinem rückschrittlichen Frauenbild so nachhaltigen Einfluß auf das Geschlechterbild (kurioserweise insbesondere) im deutschen Sprachraum hatte. Umso bewundernswerter die bescheidene und doch selbstbewußt-zielstrebige Art, mit der Mayer unbeirrt von Widerständen ihren Weg gegangen zu sein scheint (Letzteres wird bspw. aus der Korrespondenz mit ihren Verlegern deutlich).
Zu ihrem schöpferischen Genius gesellten sich weitere glückliche Umstände, die ihr das Werden und Wachsen zur angesehenen Künstlerin ermöglichten: die Erbschaft ihres Vaters, die sie von finanziellen Sorgen befreite, die Entscheidung, unverheiratet zu bleiben und somit selbstbestimmt zu leben (es oblag damals dem Ehegatten, der Frau eine Berufstätigkeit zu gestatten), dann aber sicher auch die Begegnung mit Schlüsselfiguren, welche sie in ihrer Entwicklung bestärkten und förderten: ihr Vater, ihr erster Lehrer Driver ("Wenn du die Meu gifst, kann ut di wat warden"), von entscheidender Bedeutung sicher Carl Loewe, ihr Lehrer und Mentor in Stettin, in Berlin u. a. Adolph Bernhard Marx, ihr wichtigster Lehrer und Ludwig Rellstab als unvoreingenommener Rezensent (und Gründer) der Neuen Zeitschrift für Musik. Doppelt glücklich in der zuletzt erwähnten Kategorie an Personen, daß es sämtlich Männer waren, die fortschrittlich genug dachten, den Aspekt der Geschlechter-Zugehörigkeit hintan zu stellen und allein Begabung und Berufung als Maßstab gelten zu lassen.
Alles in allem ein wertvoller Beitrag zur Wiederentdeckung Emilie Mayers.
Was dennoch zu bemängeln bleibt, mag manchem belanglos erscheinen. Mich stört es indes gewaltig und führt mich ernsthaft zu der Frage: leistet sich die Edition Dittrich noch ein Lektorat?? Ich komme auf knapp zwei Dutzend Orthographie-Fehler. Daß auch unter Intellektuellen die Unterscheidung zwischen "das" und "daß" nicht gelingt, ist nicht neu - nur bleibt dies hier mehr als einmal unkorrigiert stehen. Mayers Haupt-Verleger Bote & Bock wird zwischendurch zu Bock & Bote (warum nicht Bock & Gärtner?!), Josef Rheinberger wird genau zweimal erwähnt. Beide Male als "Rheinsberger").
Nichts desto weniger eine klare Empfehlung für dieses Buch.
Und die Hoffnung, daß künftig mehr Quellen zu Emilie Mayers Leben und Schaffen verfügbar werden.