Durchwegs eine Bereicherung
Wohl kaum ein eingefleischter Opernfan sehnt sich heute noch eine weitere Einspielung des "Il Trovatore" herbei. Denn es gibt bereits unzählige und einige sehr gute darunter. Was diese Live-Aufnahme dennoch empfehlenswert macht, ist ihre interpretatorische Homogenität. Auch wenn Leo Nucci mit seinem etwas leiernden Vibrato seinen Zenit damals schon deutlich überschritten hatte, so bleibt der Gesamteindruck der sängerischen Solidität des Ensembles doch sehr positiv. Barbara Frittoli, mit ihrer sicher geführten, etwas (durchwegs noch verführerisch) angerauhten Stimme, Salvatore Licitra, leicht und mit italienischem Schmelz sowie Violeta Urmana, geschmeidig und fast zu wohlklingend, bilden ein einheitliches Ensemble, aus dem niemand starmässig heraussticht, herrlich begleitet von dem wie üblich hervorragend disponierten Orchester der Scala. Was mir weniger gefällt, sind die von Maestro Muti oft allzu unerbittlich und undifferenziert durchgepeitschten Tempi (arme Sänger!), worunter der musikalische Ausdruck gelegentlich leidet und eher der Eindruck von Gehetztheit entsteht als von spannendem Vorwärtstreiben. Dass Muti damit das bei Aufnahmen angeblich so häufig anzutreffende "Humtata" der vielen Verdischen Dreiertakte vermeiden soll, halte ich für eine merkwürdige "Ausrede". Denn bei den hervorragenden Aufnahmen dieses Werks stimmt jeweils auch das Dirigat. Und merkwürdigerweise ist dann nämlich Leonoras grosse Arie "D'amor sull'ali rose" hier derart langsam vorgetragen, dass der musikalische Bogen beinahe reisst und man Frau Frittoli nur bewundern kann, wie sie diese meistert, ohne auf offener Bühne zu ersticken. Zuguterletzt bedauert man als nicht-puritanischer Hörer freilich das feurige "Hohe C" am Schluss des "Di quella pira", dessen Strich für Muti nicht untypisch aber nichtsdestoweniger etwas traurig ist. Auch dass sich Muti konsequent weigert, den Sängern den zweiten Teil einer Cabaletta stilgemäss ausschmücken zu lassen (notabene recht eigentlich der Sinn des zweiten Teiles einer Arie/Cabaletta!!) dient dem Werk nur bedingt. Nun, all dies tritt aber dennoch in den Hintergrund, dieser ungekürzten, im Ganzen mitreissenden, solid gesungenen und musizierten Einspielung in brillanter Tonqualität. Und: obschon die CD ein Substrat verschiedener Live-Mitschnitte ist, wird man kaum durch Nebengeräusche, Husten und häufiges Klatschen gestört. (Es wurden damals offenbar nur nichterkältete Zuschauer zugelassen, die einen Kurs belegt hatten, wann zu klatschen wäre...)