G Train
Von: Holger Grützner
What makes the rainy summer schön? This old Platte von Gravy Train ...
Mal ehrlich: Wer von uns, die wir in den 70er Jahren den Weg in den Prog fanden, hätte sich nicht gewünscht, dass Slade ihren Stil weiter entwickeln, damit man nicht gezwungen sein würde, sich von seinen Anfangsgöttern loszusagen, wenn man selbst in die nächste Geschmacksstufe driftet? ... Noddy Holder als Duettpartner von Jon Anderson auf dem Yes-Album --- das wär's gewesen! ..... Den Gefallen haben sie einem aber nun mal leider nicht getan.
Da mußte erst das Jahrtausend wechseln, dass ich auf Gravy Train aufmerksam werde! Die füllten genau diese Lücke. Und mehr als das: Ihre Platten nahmen vorweg, was poppig geglättet Barclay James Harvest mit "time honoured ghosts" gelingen sollte: Scheinbar vollkommen gegensätzliche Einflüße gekonnt miteinander verweben. Während aber BJH auf schon Vorhandenes zurückgriffen, sehen GT genialisch voraus. Man muß sich immerwieder vergewissern, dass diese Platte das Licht der Welt 1970 erblickte, Geheimtip blieb und schamlos geplündert wurde.
Mild-melancholisch dahintröpfelnde Keyboards, wie später bei Camel (Moonmadness), treffen auf rockige Querflöte, wie bei Jethro Tull ( ab Aqualung konsequent arrangiert) und werden ergänzt durch einen Reibeisen-Shouter wie bei Slade oder Nazareth, der gegen Streichersätze oder Spooky Tooth Gitarren anschreit. Faszinierend! Hinzu kommen dann noch Backingchöre a la Sweet (Blockbustaaaaaa!) oder lautmalerisch, wie bei Uriah Heeps "Lady in black" (a-haha-haha-ha-ha ....)
Da der Stimmbandathlet ab und an eine Verschnaufpause benötigt, um mit Terpentin zu gurgeln, gibt's noch einen zweiten Sänger, der sich verdächtig nach Roger Waters anhört, der entweder alleine singen darf, wie in "Home again" oder aber Gänsehaut erzeugend Zwiesprach hält mit Voice One. Ein Gegensatz, von dem vor allem das schöne "Messenger" lebt.
Das Kuhglocken-Dresch-Intro von "Can anybody hear me" dagegen erinnert an "Honky-tonk woman"oder "Alright now" von Free, obwohl der Gesang schon beinahe etwas AC/DC-haftes hat. (Wo ist Norman Barrett heute?) Und ringsherum instrumentale Zerbrechlichkeit, die nie langweilig wirkt, weil sie brillant arrangiert wurde.
Ständig meint man, sich erinnern zu müssen: Weißt du noch, damals, diese Truppe ... Wie hieß sie doch gleich? Aber wann war das nochmal? Dieses Album ist Woodstock, später beatclub und frühe Ilja-Richter-Disco in einem. Eben Zeitgeist. Time honoured ghosts/ haaaarder wörschen. Und übrigens: John Peel hat's produziert.