Zu viel Story, zu wenig Entwicklung
Das Cover zog meine Aufmerksamkeit auf sich, bevor überhaupt klar war, wann es bei uns in Deutschland erscheinen wird. Und als es nun vor der offiziellen Veröffentlichung die Möglichkeit gab es zu gewinnen, konnte ich einfach nicht widerstehen.
Bevor die Geschichte beginnt, werden die verschiedenen Clans, ihre Fähigkeiten und Götter, vorgestellt und ich hatte schon befürchtet, dass ich während des Lesens durcheinander geraten würde. Dem war im weiteren Verlauf jedoch absolut nicht so, da in diesem Band vor allem Zèlies Clan eine Bedeutende Rolle spielt, sowie eine weitere Fähigkeit eines anderen Clans. Dafür jedoch wurde ich mit einer Vielzahl an Ereignissen konfrontiert.
Die Magie ist seit langer Zeit fort, die Menschen mit magischen Kräfte (Maji genannt) wurden bestialisch abgeschlachtet. Eine Szenerie die immer wieder im Verlauf des Buches auftaucht und weitere Szenen die einigen Leser*innen innerhalb der Leserunde zu brutal waren. Ob dies wirklich zu detailliert beschrieben ist, mag ich kaum beurteilen, da ich weitaus andere Geschichten ‚gewohnt‘ bin, möchte es an dieser Stelle aber nicht unerwähnt lassen.
Zèlie, eine Divîné, Tochter einer Maji. Eine junge Erwachsene die erst handelt und dann denkt. Ihr Bruder Tzain, ein starker junger Mann, der bemüht ist, das Gleichgewicht in der Familie zu halten.
Inan, Kronprinz, seinem Vater blind ergeben. Amari, seine Schwester, eine junge stille Frau, die eine Ereigniskette ohne Rückkehr in Gang setzt.
Und die Geschichte der Magie, ihrer Entstehung auf der Erde, sowie die Blutnacht. Jene Nacht die Zèlies und Tzains Mutter und alle anderen Maji nicht überlebten.
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Ich denke daran, wie ihre Leiche am Ast des großen Baums hing.
Ich denke an den König, der sie uns nahm.
(S. 9)
Die Magie ist ein faszinierender Aspekt innerhalb der Geschichte, denn solch magische Geschichten haben ihren ganz eigenen, besonderen Reiz. Das was ich in der Geschichte darüber las gefiel mir wirklich gut, war mir aber bei dem Klappentext fast zu wenig. Das es der Autorin um etwas anderes ging und sie das Fantasy-Genre einfach als Sprachrohr genutzt hat, ist mir wohl bewusst. Aber wenn ich Fantasy lese, dann will ich auch Fantasy bekommen! Und wenn nicht nur das eigentliche Thema nicht gut skizziert ist, sondern dann auch noch an den Eigenschaften des Genres fehlt, bin ich schon leicht enttäuscht. Vor allem wenn die Autorin es kann! Das was Tomi Adeyemi über die Magie schreibt, hat sie gelungen umgesetzt. Allein in der Entstehungsgeschichte hätte ich noch viele weitere Seiten verweilen können. Ich bin abgetaucht in der Erzählung, wie die Götter ihre Magie teilten. Die intensiven Szenen, wenn die Magie wieder zu erblühen beginnt. Auch wenn genau das immer wieder Thema im Buch ist, der Kernpunkt, ist es beim Lesen selbst einfach zu wenig.
Vielmehr wurde ich von den Szenen überschlagen! Kaum begann ein Ereignis war es wenige Seiten bereits vorüber und die nächste Szenerie begann.
Von Szene A zu B zu C, hüpft die Autorin durchs Buch ohne kurz zu verweilen. Kaum hatte ich mich hineingelesen, einen leichten Hauch von Spannung gespürt, schon waren die Vier bereits in der nächsten Situation. Ich kann nicht greifen, warum solch ein Tempo vorgelegt wurde! Was soll da noch kommen in den nächsten zwei Bänden? Ich kann schon gar nicht mehr benennen, welchen Gefahren die zwei Geschwisterpaare ausgesetzt waren. Ich weiß nur, dass es mich wenig berührte. Todesfälle begegneten mir immer wieder, doch habe ich sie einfach gelesen und bin wie die Autorin weiter gehüpft. Kein Wehmut, kein Schmerz. Wie auch? Kaum kam ich in der Geschichte an, ginge es nur noch Schlag auf Schlag. Solch eine actiongeladene Ereigniskette mag ich schon nicht bei Krimis & Thrillern. Die Ereignisse überholen sich und die Geschichte profitiert in keinster Form davon!
Der Verlauf fühlt sich aufgrund seiner Schnelligkeit wie wenige Tage an, doch innerhalb der Geschichte hieß es plötzlich, dass die Protagonist*innen seit Wochen unterwegs seien. So kommen wir auch direkt zum nächsten Kritikpunkt! Wenn ich das erlebe, was besonders die Vier im Buch erleben, verändert mich dies. Es nimmt bewusst und/oder unbewusst Einfluss auf mein Handeln und Denken! Die Liebhaber*innen dieser Geschichte mögen nun aufschreien.
Oh ja, es verändert sich was, aber in eine für mich nicht nachvollziehbaren Richtung. Altersempfehlung 14 hin oder her, auch Jugendliche brauchen keine unpassende Liebesgeschichte, um mitzufühlen! Hier sollte es um Rassismus, Aggressionen, Ausgrenzung und Intoleranz gehen (so im Groben umrissen)! Was jedoch den meisten Raum bekam war die Liebelei – warum!? Und dann auch noch so vorhersehbar. Traut man den Leser*innen in diesem Alter nicht mehr zu? Warum nicht mit den Möglichkeiten des Fantasy-Genres spielen und daraus eine gesellschaftliche Kritik entstehen lassen?
Aber kommen wir zurück zu den Protagonist*innen Zèlie, Tzain, Amari und Inan. Zwei Geschwisterpaare, zwei Welten. Und bereits zu Beginn absehbar worauf es hinauslaufen wird. Eigenschaften die ich bei dem Thema des Buches bei weitem nicht erwartet hatte. Ein Klischee jagt das nächste, eine Skizzierung der Figuren, die mich schütteln ließ und definitiv der größte Kritikpunkt an dem Buch. Vier Protagonist*innen, die im Kern der Geschichte stehen und nach Schema F charakterisiert wurden. Was mich störte, werde ich versuchen zu definieren und wen das Buch bis zu diesem Punkt immer noch interessiert, sollte folgenden Abschnitt nun überspringen.
Vier Charaktere die sich unterscheiden und somit eine gewisse Dynamik schaffen sollten. Mir entlockten sie ein müdes Gähnen. Alle lassen sich in eine Schublade stecken und stagnieren in ihrer Rolle. Zwar ist eine gewisse Entwicklung herauszulesen, diese jedoch lässt sich bereits zu Beginn erahnen und wird zu oberflächlich eingearbeitet. Auf der einen Seite haben wir die zwei heranwachsenden Frauen, sowie ihre Brüder. Nicht nur das sie jeweils aus zwei unterschiedlichen Verhältnissen stammen, sie sind ein Gegenpol zueinander. Während Zèlie schneller handelt als sie denkt und sich gegen die Unterdrückung versucht aufzulehnen, ist Amari ihrer Familie hörig.
Ebenso stehen Tzain und Inan sich gegenüber. Ein Familienmensch, welcher seine Liebsten beschützen will, seine Handlungen abwägt und der Königssohn, welcher bemüht ist, die Gunst des Vaters auf sich zu ziehen.
Feindschaft und Freundschaft, mit einem Hauch von Liebe. Die Charaktere verändern sich, ohne sich wirklich zu entwickeln und zu entfalten. Sie bedienen genau das Schemata, welches bereits beim Lesen im Kopf entsteht, bevor man überhaupt an der Stelle des Buches ist. Vorhersehbar und Protagonist*innen, passend für je eine Charakter-Schublade.
Ich könnte an dieser Stelle intensiver auf jede*n einzelne*n eingehen, will ich aber ehrlich gesagt gar nicht, denn dann würde ich mich in Rage schreiben. Ich persönlich finde, dass der gesamte Verlauf, abgesehen von der Vielzahl an Ereignissen, sehr absehbar ist. Dennoch möchte ich nicht mit weiteren Einzelheiten meine Kritik untermauern, da ich dem einen oder der anderen Leser*in eventuell doch etwas vorweg nehmen könnte.
Ich möchte nicht klein reden, was das Potenzial dieser Geschichte ist. Man liest sehr wohl heraus, dass es um Gruppierungen geht. Das Klein halten der Schwächeren, ein Leben ohne Hinterfragungen, die Angst, der Hass. Mir war dies jedoch zu leise und doch zu Ereignisvoll um mich überhaupt reinfühlen zu können. Es hätten weniger Ereignisabläufe sein sollen und mehr Entwicklung geben müssen!
Das Nachwort der Autorin hingegen hat mich berührt und lässt mich nachvollziehen, warum sie diese Geschichte schrieb. Nur leider reicht dies einfach nicht aus, um das Buch an sich zu loben. Sehr schade um die Geschichte! Afrikanisch-angehauchtes Setting, Magie und Gesellschaftskritik hätten einnehmend und tiefsinnig sein können. Ich habe das Gefühl die Autorin wollte zu viel hineinstecken, konnte die Geschichte nicht langsam entstehen und sich entfalten lassen. Das wir im 21. Jahrhundert leben und immer noch Sprachrohre brauchen die auf Gewalt und Hetze aufmerksam machen müssen, Menschen dies ertragen müssen ist mehr als erschreckend! Umso wichtiger ist es das es immer und immer wieder in den Medien (Nachrichten, Bücher, Internet) angesprochen und sich laut dagegen positioniert wird. Leider ist es bei dieser Geschichte durch zu viel mitteilen und aufmerksam machen wollen zu stark in den Hintergrund gedrängt worden. Ein Buch das mehr als Anklang fand und wohl finden wird, für mich aber nicht nachvollziehbar ist.
Manch eine*r mag meine Endwertung zu hart finden, denn die Geschichte an sich lässt sich flüssig lesen. Die Magie hat ihre Faszination, welche mir gut gefiel! Wenn jedoch solch Stereotype-Protas eingearbeitet werden, die sich kaum entwickeln und einem unnötigen Handlungsstrang der meiste Raum gewährt wird, dann kann ich einfach nicht anders. Es tut mir Leid um die Idee und vor allem dem Anliegen der Geschichte! Aber es braucht keine Klischees, keine vorhersehbaren Schilderungen. Diese Geschichte hätte Raum gebraucht um sich zu entfalten und berühren zu können. Es hätte Protagonist*innen gebraucht die sich nicht nur am Rande entwickeln, sondern wirklich beginnen zu hinterfragen!
SPOILER
Dafür findet sich ein hervorragendes Beispiel! Das Einknicken innerhalb der eigenen Geschichte. Zèlie beginnt zu zweifeln, sie hinterfragt die Konsequenz, die Macht der Magie. Was geschehen wird, solange es keine Absprachen gibt. Was geschehen wird, wenn diese macht in die falschen Hände gerät. Sie vertraut sich Amari an, und dann?
Zweifel die wir verstehen, nachempfinden könne. Auch den Weg dennoch weiterzugehen. Aber warum streut die Autorin diese Gedanken nur minimal ein, arbeitet den Zwiespalt nicht heraus, sondern lässt es mit einem einzigen Gespräch verschwinden? Mitunter sind es genau diese Gedanken und Zweifel um die es der Autorin beim Schreiben ging. Anstatt sich in Ereignissen zu verlieren, hätten solche Aspekte tiefer ausgearbeitet werden könne. Dies bezieht sich ebenfalls auf viele weitere Punkte im Buch. Bei einer Trilogie hätte sie sich Zeit nehmen können, solche Szenerien weiter auszuarbeiten. In Bezug auf die Zweifel bezüglich der macht, der Gewalt, dem leben in einer Diktatur und Hierarchie.
SPOILER ENDE
Auch wenn das Buch ab 14 Jahren empfohlen ist, kann man den Leser*innen dieses Alters mehr zutrauen, als Charaktere die vorhersehbar sind und sich in Liebeleien verlieren! Ich werde den Folgeband nicht lesen und somit lässt sich der integrierte Leseexemplar-Hinweis etwas(!) leichter verkraften …