Die Toten Hosen endlich wieder in bester Form!
Ich lernte die Hosen kennen, als ich ein kleiner Junge war, mit ca. 8 Jahren. Damals liefen die Singles ihres womöglich besten Albums im Radio und insbesondere "Zehn kleine Jägermeister" war für mich ein Highlight. Natürlich hatte ich damals noch keinen großen Bezug zu Musik und den Hosen, aber der erste Grundstein war gelegt. Es folgten der Weihnachtsmann vom Dach und das Album "Unsterblich", mit denen ich die Band schließlich Lieben lernte und mit 14 Jahren kaufte ich mir endlich erstmals eine Neuerscheinung von ihnen. Die Toten Hosen begleiten mich also seit meiner Kindheit, lieferten den Soundtrack meiner Jugend und sind auch heute noch wichtiger Bestandteil meines Lebens. Dass mich Alben wie "Zurück zum Glück" oder "Ballast der Republik" nicht mehr so begeistern konnten, wie frühere Werke, nahm ich ihnen nicht übel, waren doch trotzdem stets ein paar Kracher dabei und die Konzerte immer wieder ein Highlight. Mit Laune der Natur ist es ihnen nun erstmals in "unserer" zwanzigjährigen "gemeinsamen" Zeit gelungen, mich auf Anhieb wirklich zu berühren. Es ist zwar nur eine Band, deren Musik ich höre, deren Konzerte ich besuche und deren Weg ich verfolge, doch nach zwanzig Jahren ist sie mir schon sehr ans Herz gewachsen und ich habe ein Gefühl für die internen Beziehungen erhalten. Dadurch werden die Emotionen, die im neuen Album stecken, für mich spürbar. Zumal auch ich inzwischen auf "ein paar" ereignisreiche Jahre zurückblicken kann, die gefüllt waren mit schönen, aber eben auch weniger schönen Momenten. Doch worauf will ich hinaus, wie bewerte ich jetzt das neue Album?
Laune der Natur ist eine Achterbahnfahrt. Das Album feiert die Vergangenheit, das Erlebte, den Moment und das Leben, stürzt sich im nächsten Moment in Melancholie und Trauer, handelt von Tod und Trennungen, um dann wieder voller Energie in die Zukunft zu blicken und dazu aufzurufen, weiterzumachen, zu vergeben und die wertvolle Zeit, die einem selbst bleibt, auszukosten. Es ist erlaubt zu trauern, zu feiern, mal wütend zu sein, Fehler zu machen und alles infrage zu stellen - solange man nicht aufgibt und weitermacht, ohne sich dabei der Illusion hinzugeben, es ginge ewig so weiter. Laune der Natur ist nachdenklich, energiegeladen, humorvoll und das ohne zu sehr in eine dieser Richtungen abzudriften. Es enthält von allem etwas, ist in gewisser Weise sowas wie ein Querschnitt durchs Leben. Die Balance stimmt, jeder einzelne Titel leistet seinen nicht unerheblichen Beitrag zum gesamten Werk. Zum ersten Mal nach langer Zeit, kann ich keinen einzigen "Ausfall" erkennen. Die Hosen halten die hohe Qualität vom ersten bis um letzten Titel. Auf Grund des Aufbaus des Albums kann ich aber auch keine Lieder besonders hervorheben, denn nach meinem Empfinden "funktioniert" dieses Album nur als ganzes. Dadurch haben es auch potenzielle Single-Auskopplungen schwer, schließlich hat jeder Song seinen Platz in der gefühlsmäßigen Achterbahnfahrt. "Unter den Wolken" gefiel mir als Vorab-Single bspw. nicht besonders gut und ließ mich doch eher leicht misstrauisch auf das Album warten. Im gesamten Kontext des Albums begann jedoch auch dieser Song zu gefallen. Und wie oben bereits erwähnt: Da ich die Band nun bereits zwei Jahrzehnte kenne und mittlerweile auch selbst diverse Dinge erlebt habe, entfaltet dieses Album nochmal eine ganz besondere Wirkung. Spätestens mit dem "Duo" "Eine handvoll Erde" und "Wie viele Jahre" hat sich dieses Album auf den ersten Platz unter ihren Veröffentlichungen des "neuen Jahrtausends" katapultiert.
Mein Fazit lautet daher, dass den Hosen eines der besten Alben in der Zeit nach "Opium fürs Volk" gelungen ist. Es lässt keine "Härte" vermissen, enthält das typische ironische Augenzwinkern, experimentiert erfolgreich mit ungewohnteren Elementen, transportiert die Melancholie endlich wieder auf eine so beeindruckende Art, dass ich Gänsehaut bekam (mit "einer handvoll Erde" gibt es nach lange Zeit nach "Nur zu besuch" wieder eine, Verzeihung, verdammt gute Ballade) und findet mit Wöllis "Kein Grund zur Traurigkeit" ein perfektes Ende. Laune der Natur ist ein ausgewogenes, glaubwürdiges Album, auf einem Niveau, das endlich wieder beweist, dass die Hosen locker noch "ein paar Jahre" so weitermachen können.