Nicht überzeugend
Die Psychiaterin Dr. Charlie Flint macht gerade schwierige Zeiten durch. Nachdem durch ihre Aussage ein Psychopath freigelassen werden musste, hat er vier Frauen ermordet. Charlie wird die Schuld daran gegeben, und sie wird daraufhin suspendiert.
Auch privat läuft nicht alles rund. Obwohl sie seit Jahren in einer glücklichen Beziehung mit der Zahnärztin Maria ist, hat sie sich in die attraktive Lisa Kent verliebt. Nun weiß sie nicht, für wen sie sich entscheiden soll.
Da bekommt sie ein Angebot von ihrer ehemaligen Dozentin Corinna Newsam. Deren Schwiegersohn wurde während seiner Hochzeitsfeier ermordet. Obwohl seine zwei Arbeitskollegen für die Tat verurteilt wurden, glaubt Corinna nicht an ihre Schuld. Sie verdächtigt die Internet-Millionärin Jay Macallan Stewart, die mittlerweile ein Verhältnis mit Corinnas Tochter Magda hat. Nach anfänglichen Zweifeln beschließt Charlie, sich den Fall näher anzusehen.
Das Buch ist in zwei Handlungsstränge unterteilt. Zum einen wird aus der Sicht von Charlie Flint erzählt. Man erfährt ihre Gedanken und Gefühle, ihren Hintergrund und ihr Liebeschaos. In Emails mit Lisa Kent schreibt sie nicht nur über ihre komplizierte Situation, sondern auch über ihre Fortschritte in dem Fall. Auch die Gespräche mit ihrer Lebensgefährtin Maria geben über vieles Aufschluss. Bei ihren Ermittlungen bekommt Charlie Hilfe von dem Polizisten Nick Nicolaides, dessen Dozentin sie früher war.
Der zweite Handlungsstrang betrifft Jay Stewart. Auch hier bekommt man Einblick in ihre Vergangenheit, besonders durch Auszüge ihrer Autobiographie, an der sie gerade schreibt. Dabei überlegt sie immer wieder, wie viel sie von sich preisgeben darf. Es wird schnell klar, dass sie etwas verbirgt und sogar vor ihrer Freundin Magda Newsam Geheimnisse hat.
Obwohl man viel über die Charaktere erfährt, wirken sie klischeehaft und uninteressant. Besonders Charlie ist für eine Psychiaterin reichlich naiv, und ihre Schlussfolgerungen sind nicht immer nachvollziehbar.
Der Handlungsverlauf wirkt stark konstruiert. Ein Großteil des Textes besteht aus langen Gesprächen, die sich um Vergangenes und Liebeskonflikte drehen. Das Thema Homosexualität ist der Autorin wichtig, und das ist auch in Ordnung. Leider dominiert es die Geschichte, und die Verbrechen rücken in den Hintergrund, was für einen Kriminalroman schlecht ist.
Als nach etwa zwei Dritteln des Romans endlich etwas Spannung aufkommt, wird diese fast sofort wieder zunichte gemacht als klar wird, wer die Morde begangen hat. Danach geht es nur noch darum, den Täter zu überführen. Doch auch das ist nicht richtig gelungen, sondern vorhersehbar und uninspiriert.
Wirklich positiv ist der flüssige und detaillierte Schreibstil. Man merkt, dass die Autorin eine hervorragende Ortskenntnis besitzt. Alle Handlungsschauplätze werden bildreich und ausführlich beschrieben, so dass ich das Gefühl hatte, wirklich dort zu sein.
Mir hat das Buch nicht so gut gefallen. Obwohl es gut und relativ schnell zu lesen war, hätten es für mich zweihundert Seiten weniger auch getan. Außerdem fand ich das Thema Homosexualität zu dominierend für einen Krimi. Da hätte ich mehr Spannung und weniger Liebeswirrwarr besser gefunden. Aber das ist natürlich Geschmackssache. Mich hat der Roman nicht überzeugt, und ich bleibe lieber bei Tony Hill.