Best of: Lied, Oratorium, Oper
Ich sehe Fritz Wunderlich als einzigartigsten Sänger des 20. Jahrhunderts! Gleichsam eine Callas oder Gruberova - dabei neben guter Technik (eigentlich eine "Naturstimme") viel Schmelz und Einfühlung, ohne irgendwelche störende Sentimentalität. Totale künstlerische Präsenz auf dem Konzertpodium und auf der Bühne! Es gibt wohl keinen hinreissenderen Belmonte, Tamino oder Evangelisten. Schade, dass hier als "Rarität" nicht auch eine Interpretation des Evangelisten in der Bach'schen Matthäus- oder Johannespassion aufgezeichnet wurde: Ein Erlebnis, bei dem es einem jedesmal echt "den Buckel herunterlief", selbst wenn man als Mitwirkender im Chor danebenstand... Schade, dass dieser vielseitig begabte Sänger, viel zu früh - am Höhepunkt seiner Laufbahn - durch einen tragischen Unfall zu Tode kam. So kann man nur erahnen, ob und wie ein weiterer künstlerischer Reifeprozess wohl ausgegangen wäre; vielleicht ist ihm dadurch aber auch das - manchmal wohl (zu) lange dauernde - Abschiednehmen von Bühne und Podium erspart geblieben, mit all den Erfahrungen vom Altern der Stimme und den Kräften. So wie bei vielen anderen Sängerinnen und Sängern dieser Epoche, ist auch bei ihm die Textdeutlichkeit ein Positivum, was nicht nur darin begründet ist, dass man damals alles in deutschen Übersetzungen zu singen pflegte. Nein, manchesmal ist dies sogar bedauerlich, weil "falsche" Laute bzw. rhythmische Gliederungen oft den "originalen" Kontext stören; es kommt sehr wohl daher, dass damals jede/r Gesangsschüler/in auch den Liedgesang beherrschen musste und nicht - wie späterhin leider oft praktiziert und beobachtet - diesem Unterrichtsfach naserümpfend auswich und sich lieber mit noch nicht ausgereifter Technik an Opernarien versuchte und vorzeitig die Stimme ruinierte!
Fritz Wunderlichs Stimme war stets geschmeidig und eben dadurch ausdrucksstark! Ich möchte das gerne mit einem geschmeidigen, in der Fachsprache so genannten "durchlässigen" Pferd vergleichen: Es wird immer schön anzusehen sein, bei aller nötigen Muskelspannung nie verkrampft wirken und auch dem Laien einfach Freude machen.
Schade auch, dass eigentlich relativ wenige Tonaufnahmen auf uns gekommen sind, bzw. so bearbeitet wurden, dass sie unserem Hörempfinden entsprechen (was jedoch nicht immer wünschenswert ist); in dieser Zeit wurden "trockene" Studioräumlichkeiten eher bevorzugt, da man aufgrund der zur Verfügung stehenden Aufnahmetechnik eher Angst vor Echos hatte - während man ja heutzutage sogar gerne ein bissl was dazumixt!
Alles in allem haben diese Aufnahmen hohen künstlerischen und und kulturellen Wert! Ein deutschsprachiger Belcanto des 20. Jahrhunderts, und ein sehr vielseitiger noch dazu!