"Wollte es nicht anders"
Es ist der 4. Juli 1996 und in der amerikanischen Stadt Niagara Falls, direkt an den gleichnamigen Wasserfällen gelegen, wird der Unabhängigkeitstag der USA begangen. Während allerorts ausgelassen gefeiert wird, werden Teena Maguire und deren 12-jährige Tochter Bethie im Park überfallen, beschimpft, verprügelt und das Mädchen muss in einem Versteck die Vergewaltigung ihrer Mutter durch mindestens 5 Männer mit anhören. Nur knapp entgeht Teena dem Tod und kann mit Hilfe ihrer Tochter 5 der Täter identifizieren, die infolge dessen angeklagt werden, allerdings drohen die Peiniger durch die Verteidigung eines Staranwaltes straffrei auszugehen. Wer allerdings nun einen Gerichtsthriller erwartet, liegt falsch, denn die mit dem National Book Award ausgezeichnete und für den Pulitzer-Preis nominierte Autorin Joyce Carol Oates erzählt eine berührende, fast verstörende Geschichte. So kommen Teena und Bethie mit ihren Ängsten zu Wort, die Täter äußern wüste Beschimpfungen gegen ihre Opfer und man fühlt sich an aktuelle Gerichtsverfahren erinnert, wenn der Verteidiger der Peiniger auf Freispruch für die Täter plädiert. Die Novelle „Vergewaltigt“, mit dem fast erschreckenden Untertitel „Eine Liebesgeschichte“, die in dem Werk allerdings eher in den Hintergrund tritt, wurde bereits 2003 in den USA veröffentlicht, jedoch hat eine deutsche Übersetzung bis jetzt auf sich warten lassen. Aber das Warten hat sich gelohnt. Oates schreibt in leicht verständlicher, klarer Sprache, welche allerdings durch Perspektivwechsel und dem, was erzählt wird, nicht langweilig wird. Somit geraten die 170 Seiten zu einer zwar kurzen, aber heftigen Lektüre. Die unglaublich produktive Autorin – mehr als hundert Romane, Novellen, Kinderbücher und anderes wurden bisher von ihr veröffentlicht – hat hier also erneut ein großartiges Werk vorgelegt und ist in Deutschland, trotz herausragender Werke wie „Blond“, „Niagara“ oder „Du fehlst“, zu Unrecht noch immer relativ unbekannt.