Eindlich eine grandiose Symphonie aus dem 21. Jahrhundert!
Wer die Symphonien von Mahler über Schostakovitsch und Prokofiev bis K.A. Hartmann und Schnittke liebt, wird auch hier von der Symphonie Nr. 2, op. 44 ganz begeistert sein: Michael FP Huber, Jahrgang 1971, ist er ein wahrer Meister des Kontrapunkts (ohne dabei je trocken zu wirken). Sein dramaturgisches Gespür für spannungsvollen Aufbau ist außergewöhnlich, seine Instrumentationskunst stupend: Auch im dichtesten Satz sind die einzelnen Stimmen nicht nur deutlich durchhörbar, sondern entwickeln einen ganz eigentümlichen Sog, so dass man die ganze Symphonie lang ständig bei konzentrierter Aufmerksamkeit gehalten wird, ohne eigene Kraft dazu aufwenden zu müssen oder je zu ermüden. Wie schon bei Haydn sprudelt seine Musik über von Ideen, die oft den Witz des Unerwarteten versprühen, und melodisch steht er ganz im Heute, auch wenn das nun weniger die Volksmusik ist - wie es noch bei Haydn über Mahler bis zu den jüdischen Melodien bei Schostakowitsch war –, als vielmehr die Strömungen des Pops und des Jazz. Das lässt die Musik vordergründig „eingängig“ klingen. Über diese unmittelbare Wirkung hinaus aber erschließt sich Hubers wahre Größe erst bei wiederholten Hören: Ständig lassen sich interne Bezüge entdecken, und zwar nicht nur innerhalb der einzelnen Sätze, sondern über die ganzen fünf Sätze der Symphonie hinweg. In dieser Symphonie kommen auch Anspielungen an Mahler und Bruckner vor und immer wieder erweckt die Musik Assoziationen, die an weitere Komponisten denken lässt, die zwar nicht beabsichtigt sind, aber die Komposition durch eine zusätzliche ästhetische Dimension bereichern. Hubers besonderes Gespür für wirkungsvoll klingendes Material könnte leicht dazu verführen, ihn als Traditionalisten misszuverstehen. Genau betrachtet geht seine Musik über die Tonalität weit hinaus. Huber gibt nicht die bewährten kompositionstechnischen Errungenschaften der Musikgeschichte auf und beschränkt sich nicht auf bloß eine der neuen, s.g. »avantgardistischen« Techniken, sondern versucht, die Tradition weiter zu entwickeln, indem er auf seine spezifische Art und Weise solche neue Techniken verbindend fruchtbar macht. Cluster, Polytonalität und Reihentechniken werden aber so subtil eingesetzt, dass sie beim oberflächlichen oder rein emotionalen Hören keine vordergründige Aufmerksamkeit erwecken. Klänge der »Avantgarde« werden tonal sinnvoll verarbeitet.
In den letzten 100 Jahren sind nur mehr vereinzelt Symphonien von Österreicher komponiert worden, etwa von Schmidt, Krenek, Wellesz, David, Schiske, von Einem, Eröd oder Süss. Huber aber ist der erste Symphoniker, von dem ich es mir vorstellen kann, dass er dereinst - wie es auch bei Schubert, Bruckner und Mahler war wohl leider erst lange nach seinem Tod :-( - als legitimer Nachfolger Mahlers als bedeutender Symphoniker angesehen werden könnte.
Huber gehört jedenfalls jetzt schon mit seien beiden Symphonien, neben Haydn, Mahler, Sibelius, Schostakowitsch und auch Nørgård zu meinen absoluten Lieblingssymphonikern. Unbedingt anhören!