Anton Reicha: 2 Quintette für Fagott & Streichquartett auf CD
2 Quintette für Fagott & Streichquartett
Herkömmliche CD, die mit allen CD-Playern und Computerlaufwerken, aber auch mit den meisten SACD- oder Multiplayern abspielbar ist.
Lassen Sie sich über unseren eCourier benachrichtigen, falls das Produkt bestellt werden kann.
+Sonate für Fagott & Klavier
- Künstler:
- Eckart Hübner, Fagott; Inge-Susann Römhild, Klavier; Nomos Quartett
- Label:
- CPO
- Aufnahmejahr ca.:
- 91
- UPC/EAN:
- 0761203906123
- Erscheinungstermin:
- 1.5.1998
Geboren wurde Reicha in Prag am 25. Februar
1770 als Sohn eines tschechischen
Stadtpfeifers (daher auch die verbreitete
tschechische Schreibweise "Antonin Rejcha"),
musikalisch wurde er ausgebildet
von seinem berühmten Onkel Joseph Reicha
(der als Violoncellist und Komponist
der Fürstlich Öttingenschen Kapelle im
mittelfränkischen Wallerstein wirkte), seine
künstlerische Laufbahn begann er als Flötist
der Hofkapelle des Kurfürsten
Maximilian Franz in Bonn. Hier schließt er
Freundschaft mit dem gleichaltrigen
Beethoven, beide erlernen das
kompositorische Handwerk bei Christian
Gottfried Neefe und besuchen Vorlesungen
an der Universität. Von 1794 bis
1799 sammelt Anton Reicha musikalische
Bühnenerfahrungen an der Hamburger
Oper und wagt den Sprung nach Paris.
Enttäuscht wendet er sich nach Wien, erneuert
die freundschaftlichen Kontakte zu
Beethoven und erhält durch Studien bei
Albrechtsberger und Salieri neue Anregungen.
Auch der alternde Haydn wird zu
beratenden Gesprächen aufgesucht. lhm
widmet Reicha eine Sammlung höchst origineller,
neuartig komponierter Fugen,
ohne Rücksicht auf bestehende Regeln.
Mit einer ersten, theoretischen Veröffentlichung
("Neues System der Fuge")
begründet er seine Neuerungen. Nach wie
vor zieht es aber den inzwischen
38jährigen Komponisten nach Paris. 1808
wird ein neuer Start gewagt, diesmal mit
mehr Glück.
Nun reißen die Erfolgsmeldungen nicht
mehr ab. Kammermusik, hauptsächlich für
Bläser und für Bläserensembles'), aber
auch Opern, Sinfonien, Chorkompositionen
und Klavierwerke repräsentieren ihn als einen
interessanten, auch querköpfigen
lndividualisten im raschen Stilwandel von
der Wiener Klassik zur europäischen Romantik.
1818 wird'er zum "Professeur du
contrepoint et fugue" am Pariser Conservatoire
ernannt und wirkt dort bis zu
seinem Tode am 28. Mai 1836 als angesehener,
prominenter Kompositionslehrer. Zu
seinen berühmten Schülern gehören Berlioz,
Liszt, Gounod, Vieuxtemps, Onslow
und Cesar Franck. Seine für damalige Verhältnisse
revolutionären Ansichten über
Musik finden in zahlreichen Veröffentlichungen
ihren
Niederschlag. 1826 beendet er abrupt seine
kompositorische Arbeit und widmet sich
ausschließlich der Lehrtätigkeit. 1829 nimmt Reicha die französische
Staatsbürgerschaft an, 1835 wird er als
Nachfolger Boieldieus in die Akademie gewählt.
Der Einfluss seiner theoretischen
Werke macht sich im ganzen 19. Jahrhundert
bemerkbar: noch 1911 erscheint
Reichas "Traite de melodie" (1814) in der
11. Auflage, während der große Pianist
und Klavierpädagoge Karl Czerny 1934
den "Traite de haute composition" (1824 / 26) in deutscher Übersetzung veröffentlicht
und damit das vierbändige "Vollständige
Lehrbuch der musikalischen Composition',
zum Standardwerk für viele Komponistengenerationen
macht. lm Gegensatz dazu
findet das kammermusikalische Schaffen
Reichas erst in unseren Tagen wieder das
ihm gebührende künstlerische und musikhistorische
Interesse. Ein Beitrag dazu ist
die hier vorliegende Einspielung.
Um Enttäuschungen zu vermeiden: das
"genialische" Treiben des allezeit ideenreichen
Anton Reicha erschließt sich nicht
gleich beim ersten Anhören, schon gar
nicht bei einem oberflächlichen Hineinhorchen.
Vieles in seinem Werkaufbau und
bei den Themenabläufen wirkt dann ungeordnet,
zufällig, willkürlich. Wenn sich dennoch
Spontanreize einstellen, die zum
fortdauernden Musikgenuß einladen, dann
sind es hier vor allem die aparten, angenehm
baritonalen Fagottklänge, für die
Reicha in einer gesanglich schönen, fließend-
melodischen, überwiegend aber
virtuosen Schreibweise die richtigen Töne
zu finden weiß. "Richtig" bedeutet in diesem Zusammenhang eine instrumentengerechte,
also fagottistische
Behandlung von Melodie und Harmonie,
die wiederum als eigener (und eigentümlicher)
Farbwert zu den Begleitklängen
passen muß. Das ist leichter gesagt als
getan, da der Konzertbesucher im
Virtuosen-Zeitalter des frühen 19. Jahrhunderts
- und auch heute noch - die hohen,
brillanten, "führenden" Melodiestimmen
eindeutig favorisiert. Die tiefen
Stimmungslagen haben es da ungleich
schwerer gegenüber den Sopranen und
den geigerischen Höhenflügen, auch gegenüber
den Klarinettisten, Flöten-.
Oboen- und Trompeten-Solisten.
Aber Reicha weiß genau, wie ein Fagott
erfolgversprechend zu behandeln ist. Zwei
Umstände haben sich da als Glücksfall erwiesen.
Erstens: Reichas ungebremste
Experimentierlust mit dem im damaligen
Paris sehr geschätzten Holzbläserklang
(er komponierte dort zwischen 1810 und
1820 seine begeistert aufgenommenen
quintette). Zweitens: ein exquisites Ensemble
hervorragender Bläsersolisten erlaubte
ihm gleichsam freie Hand im Spiel der
schöpferischen Ideen. So ist es nicht zuletzt
seinem namhaften Zeitgenossen, dem
Fagottisten Antoine Nicolas Henry vom Orchester
der Opera Comique, seit 1815 in
der Chapelle Royale und in der Societ6
des Concerts du Conservatoire, zu verdanken,
dass zugleich auch Fagottwerke von
vortreffIicher Meisterschaft geschaffen werden
konnten.
Wie sehr sich Reicha in seinem Schaffensdrang
der fruchtbaren Pariser Kompositionsjahre buchstäblich zur solistischen
"Größe" seiner Fagott-Beiträge hat hinreißen
lassen, verraten schon die äußerlichen
Werkdimensionen. Jedes der hier zu hörenden
Werke ist im Prinzip ein ausgedehntes
Fagottkonzert, das lediglich
durch die (zahlenmäßig) klein gehaltene
Begleitbesetzung in die Sparte der Kammermusik
verwiesen wird. Der Phantasie
des Zuhörers sind daher keine Grenzen
gesetzt, aus dem Streichquartettklang ein
entsprechendes Orchester und aus dem
virtuosen Klavierpart der Fagottsonate den
sinfonischen Farbenreichtum
herauszuhören. Für den ersten Beitrag des
Programmes, den Variationen für Solo-
Fagott mit Streicherbegleitung, gibt es
sogar einen ziemlich stichhaltigen
Quellenbefund. der die Orchester - These
stützt. Der Originaltitel der handschriftlichen
Partitur, nach der die vorliegende
Ersteinspielung erfolgte, lautet nämlich
"Variations pour le Basson Solo avec
Accompagnement de deux Violons, Alto et
Basse" (Ms. 12012 der Pariser
Nationalbibliothek). Da die traditionellen
Streichquartett-Autographen ausdrücklich
ein "Violoncelle" als Baßinstrument vorschreiben
(so auch auf Manuskript Ms.
12032 des "Grand Quintetto"), darf die Bezeichnung
"Basse" als Hinweis für eine
orchestrale Besetzung mit Verstärkung
durch den Kontrabass gedeutet werden.
Die formale Anlage des Variationswerkes
ist überraschend konventionell. Nach einer
langsamen g-Moll-Einleitung folgt ein
schlichtes G-Dur-Thema in der dreiteiligen
Liedform a-b-a', dem sich ein achttaktiges
Streicher-Ritornell anschließt. Sieben Variationen
steigern sich durch die ständige
Verdichtung der Figurationen in ihren virtuosen
Ansprüchen, lediglich unterbrochen
von einem obligatorischen Abstecher in die
Paralleltonart e-Moll (Variation 4) und von
einer ausdrucksvollen Adagio-Variante (6)
mit kurzer, überraschender Ritornell - Reminiszenz.
Recht originell ist die
Schlußvariation (7) als O/B-Scherzando mit
Wiederholung aller Formen-Elemente [:a:]
[:b-a':] und anschließender 48-Takt-Coda.
Komponiert wurde dieses Stück um 1818.
Der Komponist widmete es einem Herrn
Bonjour. Vielleicht. ein Fingerzeig: der Organist
der Pariser Ecole Militaire jener Zeit
hieß Frangois Bonjour.
Die Fagottsonate und das "Grand Quintette
pour Basson, deux Violons, Alto et
Violoncelle" - letzteres vermutlich Reichas
kompositorischer Schwanengesang
aus dem Jahre 1826 - demonstrieren geradezu
idealtypisch die Freude des
Tonsetzers am thematischen Puzzlespiel.
Reichas erster Biograph, Georg Kastner,
überlieferte 1844 folgenden Ausspruch des
Komponisten: "lch hatte immer einen großen
Hang, Außerordentliches in der
Komposition zu machen. Eine neue Idee
elektrisierte mich auf eine kaum begreifliche
Art, und ich verwirklichte beinahe
immer mit Glück einen neuen Plan und einen
neuen Entwurf. Nie gelang es mir
besser, als wenn ich Kombinationen machte
und Konzeptionen versuchte, die meine
Vorgänger nicht gemacht hatten." lm
Klartext bedeutet dies, dass der Themen-
Dualismus des Sonaten-Hauptsatzes, wie
er in der klassischen Ara mit Exposition
(Aufstellung eines Haupt- und Seitenthemas),
Durchführung und Reprise zur
ungeschriebenen Regel geworden war,
von Reicha zugunsten ständig wechselnder
Überraschungsformen verwandelt worden ist.
So operiert der Kopfsatz der Fagottsonate
neben etlichen Überleitungsmotiven und
virtuosen Spielfloskeln mit nicht weniger
als vier, zum Teil unterteilten Themen und
mit einer zur zweiten (!) Durchführung
erweiterten Coda. Das Prinzip der Coda-
Durchführung verweist zwar deutlich auf
Beethoven als Vorbild, wird aber von Reich
bis zur Spitzfindigkeit variiert und "parodiert".
Nach einem melodisch sehr schön
auskomponierten, langsamen Mittelsatz in
der dreiteiligen Liedform mit den Formen-
Elementen a-b-c und einem breit
ausgesponnenen Satz-Zentrum wartet der
6 / 8-Finalsatz wiederum mit fünf Themen-
Bausteinen auf. Als Überraschungsvariante
taucht der letzte Baustein erst gegen
Ende des ausgedehnten Durchführungsteiles
auf und verschwindet nach
kurzem, irritierendem Gastspiel rasch wieder
von der Bildfläche.
Diese für Reicha typische Themen-Kombinatorik
soll am Beispiel seines
Fagott-Quintettes mit Hilfe von Ablaufskizzen
("Grundrissen") verdeutlicht
werden. Hat der Zuhörer erst einmal das
Formenlabyrinth der Klänge durchschaut,
so eröffnet sich unversehens eine ganz
neue Perspektive des spannenden, auch
amüsanten Mit-Erlebens von gelegentlich
kuriosen, aber immer kunstvoll geplanten
Werkstrukturen.
Rezensionen
H.Arnold/Musikmarkt v.1.12.92:"Drei ausgezeichnete Kompositionen Reichas. Eckart Hübner meistert das Programm mit souveräner Technik, herrlicher Tongebung und inspirierter Musikalität...Die vorzügliche Aufnahmetechnik rückte diese interessante Raritätenprogramm auch in das entsprechende akustische Licht."H.Böhm/FonoForum 2/93:"Den formalen Strategien,der labyrinthischen Themenkombinatorik spüren die Musiker - hervorragend aufeinander eingespielt - sensibel nach. Beeindruckend, als primus inter pares überragend ist Eckart Hübner mit souveränem Handwerk und der sensualistischen Fülle seines Klanguniversums."
-
Tracklisting
-
Details
-
Mitwirkende
Disk 1 von 1 (CD)
-
1 Variationen für Fagott und Streichquartett
Quintett für Fagott und Streichquartett B-Dur
-
2 1. Allegro moderato
-
3 2. Lento - Arioso
-
4 3. Menuett - Trio
-
5 4. Finale: Presto
Sonate für Fagott und Klavier B-Dur
-
6 1. Allegro
-
7 2. Adagio
-
8 3. Rondo: Allegretto