Gustav Mahler: Liederzyklen in Bearbeitung für Orgel
Liederzyklen in Bearbeitung für Orgel
CD
CD (Compact Disc)
Herkömmliche CD, die mit allen CD-Playern und Computerlaufwerken, aber auch mit den meisten SACD- oder Multiplayern abspielbar ist.
- Lieder eines fahrenden Gesellen; Kindertotenlieder; Rückert-Lieder; Urlicht aus "Des Knaben Wunderhorn"
- Künstler: David John Pike (Bariton), David Briggs (Orgel)
- Label: Analekta, DDD, 2018
- Bestellnummer: 9482765
- Erscheinungstermin: 18.10.2019
Mahler war kein Orgelkomponist. Lediglich in zwei Symphonien, der zweiten und der achten, nutzte er das Instrument zur Klangverstärkung und als »Klangsymbol« für die Sphäre des Metaphysischen (vgl. Constantin Floros). Bereits die Komponisten der Zweiten Wiener Schule hatten die Verwendung des Harmoniums – des kleinen Bruders der Orgel – entdeckt, um ihren Kammerbearbeitungen von Mahlers Werken symphonische Kohärenz zu verleihen (z. B. Arnold Schönberg in seiner Version der Gesellen-Lieder). Der Bariton David John Pike und der Organist David Briggs gehen diesen Ansatz weiter. Briggs spielt die große Eule-Orgel der Konstantin-Basilika in Trier und erzeugt mit seiner Registrierung einen intimen und symphonischen Klang. So intensiviert er den religiösen Klang choraler Lieder wie »Urlicht« und verleiht dramatischen Liedern wie »In diesem Wetter, in diesem Braus« die angemessene und notwendige Kraft. Pike und Briggs präsentieren diese Version für Bariton und Orgel, die zwischen Mahlers eigenen Versionen für Klavier und Orchester vermittelt.
»Der Kern von Mahlers Musik ist das Volkslied«, bemerkte Willem Mengelberg, Dirigent des Concertgebouw-Orchesters und Zeitgenosse Mahlers. Nicht nur die Musik, auch die sprachliche Gestaltung der von ihm ausgewählten Texte ist oft lebensecht. Er war fasziniert vom »Stil und Charakter« der von Clemens Brentano und Achim von Arnim in »Des Knaben Wunderhorn« gesammelten Volksgedichte, die, wie Peter Revers schreibt, weniger Kunst als vielmehr »Natur und Leben« sein wollen. Den Text seiner »Lieder eines fahrenden Gesellen« verfasste Mahler 1884 / 85 selbst, orientierte sich dabei aber deutlich am »Volkston« der Wunderhorn-Gedichte – bis hin zur direkten Übernahme einiger Zeilen. Biografischer Hintergrund war eine unglückliche Liebesbeziehung mit Johanna Richter, einer Sängerin am Theater in Kassel, wo Mahler damals Musikdirektor war. In einem Brief an seinen Freund Friedrich Löhr schrieb er, dass die Lieder heimlich »ihr gewidmet« seien. Es gibt eine deutliche Parallele zu Franz Schuberts Winterreise: Der unglückliche, liebevolle Protagonist zieht allein in die Welt. Eine Art Marsch ist in Mahlers Zyklus allgegenwärtig – vom fröhlichen Wanderlied im ersten Stück bis zum Trauermarsch am Ende. Ein wesentlicher Unterschied zur Winterreise ist der Kontrast zwischen Innen- und Außenwelt: Während bei Schubert kalte, unwirtliche Winterlandschaften die Seele des einsamen Wanderers widerspiegeln, wandert Mahlers Geselle durch den blühenden Frühling. Im Gegensatz zur Heiterkeit der Welt wird seine Traurigkeit dadurch umso tiefer.
Der romantische Dichter Friedrich Rückert (1788-1866) drückte die Verzweiflung über den Tod seiner Kinder Luise und Ernst in mehreren hundert posthum veröffentlichten Privatgedichten aus und versuchte sie zu verarbeiten. Von 1901 bis 1904 vertonte Mahler fünf davon in seinen Kindertotenliedern. Im Juli 1907 verlor er seine eigene Tochter Maria Anna. Rückblickend gestand er: »Ich stellte mir vor, dass mein Kind gestorben wäre; wenn ich in Wirklichkeit eine Tochter verloren hätte, wäre ich nicht mehr in der Lage gewesen, die Lieder zu schreiben.« Als im Sommer 1901 die ersten Kindertotenlieder entstanden, befand sich Mahler in einer Zeit intensiver Auseinandersetzung mit der Musik Johann Sebastian Bachs. Zutiefst fasziniert schrieb er: »Es ist unmöglich zu sagen, wie viel ich immer mehr und mehr von Bach lerne.« Mahlers Wertschätzung für Bach hinterließ deutliche Spuren in den Liedern. Seine Musiksprache wurde linearer, polyphoner. So zeigt das erste Lied, Nun will die Sonn' so hell aufgeh'n, einen spärlichen, leicht dissonanten Kontrapunkt, der selten über zwei Stimmen hinausgeht, und das dritte Lied, Wenn dein Mütterlein, ist als quasi barocker Triosatz mit Oberstimme arrangiert Gesangsduo über einem unterstützenden Bass.
Parallel zu den Kindertotenliedern schuf Mahler fünf weitere Rückert-Lieder. Diese bilden keinen Zyklus, sondern eine inhaltlich disparate Sammlung, die nur über den Dichter verbunden ist. Das erste Lied, Blicke mir nicht in die Lieder, hat eine ausgeprägte Perpetuum-mobile-Begleitung. Mahler symbolisiert damit oft die »turbulente Welt«, die er in all ihrer Sinn- und Gedankenlosigkeit verabscheut; hier jedoch steht es für den bienenhaften Fleiß des schöpferischen Menschen, der sich seiner selbst nicht bewusst ist. Ich atmet' einen Linden Duft ist vielleicht das zarteste aller Mahler-Lieder. Mit ätherischen, auf und ab schwebenden Linien schildert der Komponist den Duft eines Lindenzweigs, den seine Geliebte in den Raum gelegt hat. Im Gegensatz dazu geht es in »Um Mitternacht« um den schmerzhaften Kampf des Einzelnen um die »Leiden der Menschheit«. Mahlers düstere Vertonung mit pendelnden, stationären Figuren und resignierten, in die Tiefe sinkenden Tonleitern drückt von Anfang an deutlich die Niederlage aus. In der letzten Strophe jedoch, in der der Protagonist sein Schicksal und das der Welt in Gottes Hände legt, schafft Mahler einen extremen Kontrast zu den vorherigen Strophen: Strahlende Fanfaren und rauschende Arpeggio-Figuren stellen die Majestät Gottes dar. Das Lied wurde vermutlich im Zusammenhang mit einem persönlichen Trauma geschrieben. Im Februar 1901 wäre Mahler in der Nacht an starken Blutungen beinahe gestorben; Eine Notoperation rettete ihm das Leben. Liebst du um Schönheit geht einen anderen, völlig anderen Weg. Mahler schrieb dieses hinreißende kleine Liebeslied als Geschenk an seine junge Frau Alma im Jahr 1902 oder 1903. »Ich bin der Welt abhanden gekommen« ist zweifellos das tiefgründigste der fünf Rückert-Lieder. Mit seinen schwebenden Harmonischen, exotischen pentatonischen Tonleitern und sich in subtiler Unregelmäßigkeit überlagernden Viertonmotiven lässt es den großen Schlussgesang »Der Abschied« aus »Das Lied von der Erde« ahnen. Das Lied handelt von einem fast unbewussten Rückzug aus dem Alltag und der transzendentalen Erfahrung der Einsamkeit:
Ich bin dem Tumult der Welt gestorben,
Und ich ruhe in einem ruhigen Reich!
Ich lebe allein in meinem Himmel,
In meiner Liebe und in meinem Lied!
-Friedrich Rückert
© Oliver Korte und Ya-Chuan Wu
»Der Kern von Mahlers Musik ist das Volkslied«, bemerkte Willem Mengelberg, Dirigent des Concertgebouw-Orchesters und Zeitgenosse Mahlers. Nicht nur die Musik, auch die sprachliche Gestaltung der von ihm ausgewählten Texte ist oft lebensecht. Er war fasziniert vom »Stil und Charakter« der von Clemens Brentano und Achim von Arnim in »Des Knaben Wunderhorn« gesammelten Volksgedichte, die, wie Peter Revers schreibt, weniger Kunst als vielmehr »Natur und Leben« sein wollen. Den Text seiner »Lieder eines fahrenden Gesellen« verfasste Mahler 1884 / 85 selbst, orientierte sich dabei aber deutlich am »Volkston« der Wunderhorn-Gedichte – bis hin zur direkten Übernahme einiger Zeilen. Biografischer Hintergrund war eine unglückliche Liebesbeziehung mit Johanna Richter, einer Sängerin am Theater in Kassel, wo Mahler damals Musikdirektor war. In einem Brief an seinen Freund Friedrich Löhr schrieb er, dass die Lieder heimlich »ihr gewidmet« seien. Es gibt eine deutliche Parallele zu Franz Schuberts Winterreise: Der unglückliche, liebevolle Protagonist zieht allein in die Welt. Eine Art Marsch ist in Mahlers Zyklus allgegenwärtig – vom fröhlichen Wanderlied im ersten Stück bis zum Trauermarsch am Ende. Ein wesentlicher Unterschied zur Winterreise ist der Kontrast zwischen Innen- und Außenwelt: Während bei Schubert kalte, unwirtliche Winterlandschaften die Seele des einsamen Wanderers widerspiegeln, wandert Mahlers Geselle durch den blühenden Frühling. Im Gegensatz zur Heiterkeit der Welt wird seine Traurigkeit dadurch umso tiefer.
Der romantische Dichter Friedrich Rückert (1788-1866) drückte die Verzweiflung über den Tod seiner Kinder Luise und Ernst in mehreren hundert posthum veröffentlichten Privatgedichten aus und versuchte sie zu verarbeiten. Von 1901 bis 1904 vertonte Mahler fünf davon in seinen Kindertotenliedern. Im Juli 1907 verlor er seine eigene Tochter Maria Anna. Rückblickend gestand er: »Ich stellte mir vor, dass mein Kind gestorben wäre; wenn ich in Wirklichkeit eine Tochter verloren hätte, wäre ich nicht mehr in der Lage gewesen, die Lieder zu schreiben.« Als im Sommer 1901 die ersten Kindertotenlieder entstanden, befand sich Mahler in einer Zeit intensiver Auseinandersetzung mit der Musik Johann Sebastian Bachs. Zutiefst fasziniert schrieb er: »Es ist unmöglich zu sagen, wie viel ich immer mehr und mehr von Bach lerne.« Mahlers Wertschätzung für Bach hinterließ deutliche Spuren in den Liedern. Seine Musiksprache wurde linearer, polyphoner. So zeigt das erste Lied, Nun will die Sonn' so hell aufgeh'n, einen spärlichen, leicht dissonanten Kontrapunkt, der selten über zwei Stimmen hinausgeht, und das dritte Lied, Wenn dein Mütterlein, ist als quasi barocker Triosatz mit Oberstimme arrangiert Gesangsduo über einem unterstützenden Bass.
Parallel zu den Kindertotenliedern schuf Mahler fünf weitere Rückert-Lieder. Diese bilden keinen Zyklus, sondern eine inhaltlich disparate Sammlung, die nur über den Dichter verbunden ist. Das erste Lied, Blicke mir nicht in die Lieder, hat eine ausgeprägte Perpetuum-mobile-Begleitung. Mahler symbolisiert damit oft die »turbulente Welt«, die er in all ihrer Sinn- und Gedankenlosigkeit verabscheut; hier jedoch steht es für den bienenhaften Fleiß des schöpferischen Menschen, der sich seiner selbst nicht bewusst ist. Ich atmet' einen Linden Duft ist vielleicht das zarteste aller Mahler-Lieder. Mit ätherischen, auf und ab schwebenden Linien schildert der Komponist den Duft eines Lindenzweigs, den seine Geliebte in den Raum gelegt hat. Im Gegensatz dazu geht es in »Um Mitternacht« um den schmerzhaften Kampf des Einzelnen um die »Leiden der Menschheit«. Mahlers düstere Vertonung mit pendelnden, stationären Figuren und resignierten, in die Tiefe sinkenden Tonleitern drückt von Anfang an deutlich die Niederlage aus. In der letzten Strophe jedoch, in der der Protagonist sein Schicksal und das der Welt in Gottes Hände legt, schafft Mahler einen extremen Kontrast zu den vorherigen Strophen: Strahlende Fanfaren und rauschende Arpeggio-Figuren stellen die Majestät Gottes dar. Das Lied wurde vermutlich im Zusammenhang mit einem persönlichen Trauma geschrieben. Im Februar 1901 wäre Mahler in der Nacht an starken Blutungen beinahe gestorben; Eine Notoperation rettete ihm das Leben. Liebst du um Schönheit geht einen anderen, völlig anderen Weg. Mahler schrieb dieses hinreißende kleine Liebeslied als Geschenk an seine junge Frau Alma im Jahr 1902 oder 1903. »Ich bin der Welt abhanden gekommen« ist zweifellos das tiefgründigste der fünf Rückert-Lieder. Mit seinen schwebenden Harmonischen, exotischen pentatonischen Tonleitern und sich in subtiler Unregelmäßigkeit überlagernden Viertonmotiven lässt es den großen Schlussgesang »Der Abschied« aus »Das Lied von der Erde« ahnen. Das Lied handelt von einem fast unbewussten Rückzug aus dem Alltag und der transzendentalen Erfahrung der Einsamkeit:
Ich bin dem Tumult der Welt gestorben,
Und ich ruhe in einem ruhigen Reich!
Ich lebe allein in meinem Himmel,
In meiner Liebe und in meinem Lied!
-Friedrich Rückert
© Oliver Korte und Ya-Chuan Wu
- Tracklisting
- Details
- Mitwirkende
Disk 1 von 1 (CD)
Lieder eines fahrenden Gesellen Nr. 1-4
- 1 Nr. 1 Wenn mein Schatz Hochzeit macht
- 2 Nr. 2 Ging heut' Morgen über's Feld
- 3 Nr. 3 Ich hab' ein glühend Messer
- 4 Nr. 4 Die zwei blauen Augen
Kindertotenlieder (5 Lieder nach Gedichten von Friedrich Rückert)
- 5 Nr. 1 Nun will die Sonn' so hell aufgeh'n
- 6 Nr. 2 Nun seh' ich wohl, warum so dunkle Flammen
- 7 Nr. 3 Wenn dein Mütterlein
- 8 Nr. 4 Oft denk ich, sie sind nur ausgegangen
- 9 Nr. 5 In diesem Wetter
Lieder aus Des Knaben Wunderhorn Nr. 1-12 (Auszug)
- 10 Urlicht
Lieder nach Gedichten von Friedrich Rückert Nr. 1-5
- 11 Nr. 1 Blicke mir nicht in die Lieder
- 12 Nr. 2 Ich atmet' einen linden Duft
- 13 Nr. 3 Um Mitternacht
- 14 Nr. 4 Liebst du um Schönheit
- 15 Nr. 5 ich bin der Welt abhanden gekommen