Rafael Kubelik, so unterschätzt
Anfang der Achtziger brachte die DG die Erste, Giulini in LA. Hier stimmte alles, Musizieren, Aufnahme und Abmischung, ein Meilenstein. Das hätte der Brahms-Zyklus werden können, hätte er nicht nach der Zweiten bereits sein Ende gefunden. Was Giulini Jahre später in Wien beim Zyklus eingespielt hat, möchte ich aufgrund meines tiefen Respekts vor ihm nicht schreiben. Die Vierte ist Kleiber vollendet gelungen, auch hier leider kein Zyklus.
Die meisten Zyklen kranken bereits daran, dass die Dirigenten meinen, sich die vorgeschriebenen Wiederholungen der Expositionen "schenken" zu dürfen. Damit fehlen alles Symphonien die erforderlichen Proportionen, die Sätze in sich und vor allem im Kontext geben nicht mehr den Sinn, den Brahms wollte. Rafael Kubelik, viele Jahre Musikchef beim BR, hat 1983 in wenigen Wochen den Zyklus in Konzertmitschnitten erstellt. Die Abmischung, also die Klangqualität, ist eher mäßig, hier hätte mehr Mühe eingebracht werden müssen. Kubelik, kompetent von Haydn bis K. A. Hartmann, wußte, was er der Musik "geben" mußte. Natürlich wird alles wiederholt, wie in der Partitur gefordert. Die Erste fällt bereits als beeindruckende Mischung aus expressiv und klangsinnig auf. "Un poco sostenuto" stimmt auf den Punkt, der Hauptteil wird bis zum Höhepunkt in der Durchführung des ersten Satzes präzise umgesetzt. Der zweite Satz ist wunderbar lyrisch, der dritte die erforderliche Mischung aus Lyrik und Expressivität. Im Finale kommt die Alphorn-Einleitung so schön, es stimmt einfach alles so. Die weiteren drei Symphonien sind einfach rund und richtig, es gibt nichts zu bemängeln.
Ich habe beim Klang nur drei von fünf Sternen gegeben, das hätte besser sein können und müssen. Für den Gesamteindruck habe ich trotzdem fünf Sterne gegeben, die sich auf die ganz außerordentliche Leistung des Herrn Kubelik und die des BR-Symphonie-Orchesters beziehen. Ich würde diesen Zyklus sofort wieder kaufen - und auf Vinyl ganz bestimmt keinen anderen.